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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut
Autoren: Jonathan Kellerman
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abends nicht zu spät nach Hause kommen, mit anständigen Freunden rumhängen, nicht mit miesen Typen.« Sie ließ eine Hand kreisen, als rolle sie Garn auf.
    »Und ich soll Sie dazu bringen, das alles zu tun?«
    »Lyle sagt, auf keinen Fall, das schaffen Sie nie.«
    »Lyle.«
    Ihr Blick wirkte amüsiert. »Das ist noch etwas, was ich nicht mehr tun soll. Ihn mit seinem Namen anreden. Das hasst er, es macht ihn wahnsinnig.«
    »Also hören Sie auf keinen Fall damit auf.«
    Sie spielte mit ihrem Haar. »Wer weiß, was ich tun werde?«
    »Wie reagiert er, wenn Sie Dinge tun, die ihn ärgern?«
    »Er ignoriert mich. Geht weg und beschäftigt sich mit irgendwas anderem.«
    »Er hat Hobbys?«
    »Er? Alles was er macht, ist arbeiten, Pot rauchen, sich voll stopfen, fernsehen. Er hat kein Vertrauen zu mir. Zu Ihnen auch nicht.« Verschwörerisches Lächeln. »Er sagt, Psychofritzen sind nur ein Haufen überbezahlter Clowns, die keine Glühbirne ohne Hilfe einschrauben können, und ich würde Sie genauso an der Nase rumführen wie alle ändern auch. Er bezahlt hierfür nur, weil Jane ihm mit ihrem Rumnörgeln wirklich auf den Wecker geht.«
    »Mom hat mehr Vertrauen zu Psychofritzen?«
    »Mom ist schrecklich besorgt« , sagte sie. »Mom leidet gern. Sie sind - Jetzt hab ich 'ne pikante Geschichte für Sie: Die beiden haben nur geheiratet, weil sie mussten. Eines Tages hab ich in Janes Kommode nach einem BH gesucht und ihren Trauschein gefunden. Zwei Monate vor meiner Geburt. Ich bin in Sünde gezeugt worden. Was halten Sie davon?«
    »Spielt das für Sie eine große Rolle?«
    »Ich finde es nur lustig.«
    »Wieso?«
    »Da machen sie schwer einen auf moralisch und ... na ja, egal.« Sie hob die kleine schwarze Handtasche hoch, öffnete den Verschluss, warf einen Blick hinein und ließ sie wieder zuschnappen.
    »Mom leidet gern«, sagte ich.
    »Yeah, sie ist kreuzunglücklich mit ihrem Leben. Sie hat früher für private Chartergesellschaften gearbeitet, ist mit den Superreichen um die Welt geflogen. Sie bedauert es, wieder auf der Erde gelandet zu sein.« Sie rückte auf ihrem Sessel nach vorn. »Wie lange muss ich noch hier bleiben?«
    Anstatt die Feinheiten der Willensfreiheit zu erörtern, antwortete ich: »Eine halbe Stunde.«
    Sie öffnete erneut ihre Handtasche, zog eine Puderdose heraus, überprüfte ihr Spiegelbild, zog sich eine Wimper aus und schnippte sie weg.
    »Eine halbe Stunde«, sagte sie. »Auf keinen Fall habe ich Probleme für eine halbe Stunde - wollen Sie alle hören?«
    »Klar.«
    Sie ließ eine lange, eintönige Rede vom Stapel, über blöde Freundinnen, die an ihr rummeckerten, blöde Ex-Freunde, die so dumm waren zu glauben, sie stünden noch in ihrer Gunst, blöde Lehrer, die nicht mehr wussten als die Schüler, blöde Partys, eine blöde Welt.
    Sie redete ohne Unterbrechung in dem ausdruckslosen Tonfall einer Zeugin, die ihre Aussage auswendig gelernt hat, und sah überall hin, nur nicht zu mir.
    Als sie damit fertig war, sagte ich: »Also geht Ihnen jeder auf die Nerven?«
    »Das können Sie laut sagen ... Wie lange jetzt noch?«
    »Fünfundzwanzig Minuten.«
    »Scheiße. So lange noch? Sie sollten da oben eine Uhr hängen haben. Damit die Leute wissen, wie spät es ist.«
    »Das wollen die Leute normalerweise nicht.«
    »Warum?«
    »Sie wollen nicht abgelenkt werden.«
    Sie schenkte mir ein herbes Lächeln und rückte auf dem Sessel nach vorn. »Nun ja, ich möchte jedenfalls früher gehen. Okay? Nur heute. Bitte. Ich bin mit ein paar Leuten verabredet, und ich muss um halb sechs wieder zu Hause sein, sonst flippen Jane und Lyle aus.«
    »Verabredet wozu?«
    »Wir wollen ein bisschen Spaß haben.«
    »Freunde holen Sie ab?«
    Sie nickte.
    »Wo?«
    »Ich hab ihnen gesagt, wir treffen uns an der nächsten Querstraße. Kann ich jetzt gehen?«
    »Lauren, ich zwinge Sie nicht -«
    »Aber wenn ich früher gehe, verpetzen Sie mich, richtig?«
    »Sehen Sie«, erwiderte ich, »es geht um zwanzig Minuten. Warum sollen wir die Zeit nicht nutzen, solange Sie hier sind?«
    Ich erwartete Protest, aber sie saß da und schmollte. »Das ist nicht fair. Ich hab Ihnen alles gesagt. Es ist alles in Ordnung mit mir.«
    »Ich behaupte nicht das Gegenteil, Lauren.«
    »Worum geht's also dann?«
    »Ich würde gern mehr über Sie erfahren -«
    »Das lohnt sich nicht, okay? Mein Leben ist langweilig, das hab ich Ihnen schon gesagt.« Sie fuhr mit den Händen über ihren Oberkörper. »Das ist alles, was es über mich zu
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