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Flashback

Titel: Flashback
Autoren: Dan Simmons
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tropischen Blumen und nach Meer geduftet. Den Sex hatte Nick vermieden, weil ein feuchter Spermafleck auf der Hose das Letzte war, was er für ein Vorstellungsgespräch brauchen konnte, und nun war er obendrein froh,
dass sein aufgezeichnetes Idiotengesicht keine unkoordinierten spastischen Echos eines achtzehn Jahre zurückliegenden Orgasmus widerspiegelte.
    Endlich schloss der Film damit, dass Nick Bottom aus der Trance erwachte, den Kopf schüttelte, sich mit den Händen durchs Haar fuhr, die Krawatte enger zog, sich im Rückspiegel musterte und mit dem scharrenden Geräusch eines absterbenden Elektromotors den Wagen anließ. Die fünf Kameras folgten ihm nicht, auch nicht die in der Luft. Vier der fünf Monitore ver wandelten sich wieder in dunkles Antikholz. Der letzte Monitor zoomte auf den Zeitcode und erstarrte.
    Hiroshi Nakamura und Hideki Sato wandten sich schweigend von dem Bild ab.
    Nach einer Minute peinlicher Stille hielt es Nick nicht mehr aus. »In Ordnung, ich bin also noch flashbacksüchtig. Ich bin die ganze Zeit auf Flash – mindestens sechs bis acht Stunden am Tag. Ungefähr so lang, wie sich die Amerikaner früher mit Fernsehen zugedröhnt haben. Na und? Sie werden mich trotzdem für diesen Job engagieren, Mr. Nakamura. Und mein Flashback bezahlen, damit ich knapp sechs Jahre zurückgehen und die Untersuchung zur Ermordung Ihres Sohnes wiederbeleben kann.«
    Sato hatte sein Chiptelefon nicht von dem antiken Tansu genommen, und jetzt leuchteten auf allen fünf Monitoren Fotos des zwanzigjährigen Keigo Nakamura auf.
    Nick schenkte den Bildern kaum Beachtung. Im Lauf der Ermittlungen vor sechs Jahren hatte er haufenweise Aufnahmen von Keigo gesehen – sowohl lebend als auch tot. Nicht gerade beeindruckend. Der Sohn des Milliardärs hatte ein schwaches Kinn, schräge braune Augen, bescheuertes Stachelhaar und diese schmollend verschlagene Visage, die Nick bei zu vielen jungen Asiaten in den Staaten beobachtet hatte. Nick hasste diesen Gesichtsausdruck junger, stinkreicher japanischer Touristen, die im verarmten Amerika
auf Abenteuer aus waren. Eigentlich hatten ihn von Keigo Nakamura nur die Fotos vom Tatort und von der Autopsie interessiert, die ein fettes Grinsen zeigten, allerdings eines, das durch eine schartige Schnittwunde im Hals des Jungen entstanden war und den Blick auf weiß schimmernde Wirbel freigab. Der unbekannte Angreifer hatte Keigo fast den Kopf abgetrennt, als er dem jungen Erben die Kehle aufschlitzte.
    »Wenn Sie mich engagieren, dann genau wegen Flashback«, setzte Nick leise hinzu. »Können wir vielleicht endlich auf den Punkt kommen oder die Sache abblasen? Ich hab heute noch was anderes vor.«
    Der letzte Satz war die größte Lüge von allen.
    Nakamura und Sato blieben völlig ungerührt, scheinbar teilnahmslos, fast als hätte Nick Bottom das Zimmer bereits verlassen.
    Nun schüttelte der Milliardär den Kopf. Nick bemerkte die Anzeichen des Alters an ihm: angedeutete Tränensäcke, von den Augenwinkeln ausgehende Falten. »Sie irren sich, wenn Sie sich für unentbehrlich halten, Mr. Bottom. Wir besitzen Kopien aller Polizeiberichte aus der Zeit vor und nach dem Cyberangriff, aus der Zeit vor und nach Ihrer Abberufung aus dem Fall. Mr. Sato besitzt ein komplettes Dossier mit sämtlichen Unterlagen der Polizei von Denver.«
    Nick lachte. Zum ersten Mal blitzte in den Augen des reichen Beraters Zorn auf, den Nick erfreut zur Kenntnis nahm. »Sie wissen doch, dass das nicht stimmt, Mr. Nakamura. Die ›sämtlichen Unterlagen‹, die Sie vom Department bekommen haben, sowohl zu meiner Zeit als auch später, haben nur ungefähr zehn Prozent von dem ausgemacht, was wir in digitaler Form gespeichert hatten. Papier ist viel zu teuer, niemand druckt tonnenweise überflüssigen Krempel aus, nicht mal für nervige japanische Milliardäre mit Einfluss im Weißen Haus. Die Mordakte hat Sato nie zu sehen gekriegt – nicht wahr, Hideki-san?«

    Die Miene des Sicherheitschefs veränderte sich nicht angesichts der stichelnden Andeutung von Vertrautheit, aber seine kalten Augen wurden endgültig zu schwarzem Eis. Jede Spur von Amüsement war aus ihnen verschwunden.
    »Sie brauchen mich also, wenn es eine neue Untersuchung geben soll«, resümierte Nick. »Zum letzten Mal, ich schlage vor, wir lassen die Spielchen und kommen zur Sache. Wie viel zahlen Sie für den Auftrag?«
    Nach einem Moment der Stille ergriff Nakamura das Wort. »Wenn Sie die Mörder meines Sohnes aufspüren, Mr.
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