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Flandry 4: Ehrenwerte Feinde

Flandry 4: Ehrenwerte Feinde

Titel: Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
Autoren: Poul Anderson
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Beispiel niemals Knochen entwickelt, dafür aber chitin- und knorpelartige Materialien, die über alles hinausgingen, was von Terra bekannt war.
    Die Darstellung hatte plausibel und interessant geklungen, solange Flandry in einer warmen Kibitka auf der grasigen Ebene saß, neben sich Mikrotexte, die ihm weitere Details verrieten. Als er jedoch nun auf Millionen Jahre altem Schnee stand und zusah, wie die Nacht wie Rauch durch Kristallbäume und zyklopische Ruinen herankroch, während Juchi unter einem weiten grünen Himmel sang, entdeckte Flandry, dass die wissenschaftlichen Erklärungen der Wahrheit nicht im Geringsten gerecht wurden.
    Einer der Monde war aufgegangen. Flandry sah, wie etwas vor seinem kupfernen Schild vorbeizog. Die Objekte näherten sich, ein Schwarm aus weißen Kugeln, die im Durchmesser von wenigen Zentimetern bis zu Giganten rangierten, die größer waren als das Flugboot. Tentakel senkten sich zu ihnen herab. Juchi brach ab. »Ah«, sagte er. »Aeromedusen. Die Bewohner des Eises können nicht weit sein.«
    »Was?« Flandry schlug die Arme um die Schultern. Die Kälte war immer stärker zu spüren, nagte sich durch Pelz und Leder ins Fleisch.
    »Aeromedusen. So nennen wir sie. Sie sehen primitiv aus, aber sie sind tatsächlich weit entwickelt und haben sowohl Sinnesorgane als auch Gehirne. Sie stellen elektrolytisch Wasserstoff her, mit dem sie sich aufblasen und den sie hinten ausstoßen, um sich fortzubewegen. Sie fressen Kleintiere, die sie durch Elektroschocks besinnungslos machen. Das Eisvolk hat sie domestiziert.«
    Mit einem raschen Blick streifte Flandry die gezackten Mauerreste, die sich über das Halbdunkel in die letzten Sonnenstrahlen erhoben und rosarot leuchteten. »Früher haben sie noch mehr getan«, entgegnete er traurig.
    Juchi nickte merkwürdig unbeeindruckt. »Ich vermute, auf Altai bildete sich Intelligenz als Antwort auf schlechter werdende Bedingungen – die aufwärmende Sonne.« Er klang distanziert. »Eine Hochkultur entstand, aber die Metallknappheit war ein arges Hindernis, und das konstant schrumpfende Schneegebiet hätte zum kulturellen Zusammenbruch führen können. Dennoch erzählen die Eisbewohner es anders. In Bezug auf ihre Vergangenheit empfinden sie keinerlei Verlustgefühl.« Er kniff die schrägen Augen zu einer nachdenklichen Miene zusammen und suchte nach Worten. »Soweit ich sie verstehe, was nicht sehr weit geht, haben sie etwas … Ungeeignetes abgelegt … Sie fanden bessere Methoden.«
    Aus dem Wald kamen zwei Wesen.
    Auf den ersten Blick waren es zwergenhafte, weißbepelzte Menschen. Dann erkannte man die Einzelheiten, den geduckten Körperbau und die gummiartigen Gliedmaßen. Die Füße waren langgezogen und hatten Schwimmhäute zwischen den Zehen; sie konnten zu breiten Schneeschuhen gespreizt oder zu kurzen Skiern zusammengezogen werden. Die Ohren waren fedrige Quasten; feine Tentakel umgaben jedes runde, schwarze Auge; aus einer haarigen Halskrause schauten traurige graue Affengesichter. Ihr Atem bildete keine Wölkchen wie bei den Menschen; ihre Körpertemperatur lag jedoch weit unter null Grad Celsius. Einer von ihnen trug eine Lampe aus Stein, in der fahlblau eine Alkoholflamme zitterte. Der andere hielt einen von komplizierten Meißelarbeiten bedeckten Stab; auf eine undefinierbare Art und Weise schien es, als lenke er damit den Medusenschwarm, der sie umgab.
    Sie kamen näher, blieben stehen und warteten. Nichts bewegte sich außer dem schwachen Wind, der ihr Fell kräuselte und die Flamme flackern ließ. Juchi stand genauso still da. Flandry passte sich beherrscht an, obwohl es seine Zähne zu klappern verlangte. Auf Welten, die noch eigenartiger waren, hatte er schon viele Arten von Leben gesehen, doch hier lag eine Fremdartigkeit über der Szene, die ihm unter die Haut ging.
    Die Sonne versank. Wegen der dünnen, staubfreien Luft gab es keinerlei Dämmerung. In der plötzlichen Dunkelheit strahlten die Sterne auf wie Feuerwerk. Die Kante der Ringe erschien wie ein ferner Bogen. Der Mond warf kupferfarbenes Licht auf den Schnee und Schatten in den Wald.
    Ein Meteor spaltete mit einem lautlosen Blitz den Himmel. Juchi schien es als Signal zu verstehen und begann zu reden. Seine Stimme klang wie in Eis getaucht, als ziehe sie sich in mitternächtlicher Kälte zusammen: Sie wirkte gar nicht mehr, als käme sie aus einer menschlichen Kehle. Flandry begriff allmählich, was ein Schamane darstellte und weshalb er die Stämme der Nordlande
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