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Flammentod

Flammentod

Titel: Flammentod
Autoren: Oliver Buslau
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bestand.
    Jemand hatte den Drahtzaun auseinandergebogen. Das Loch war gerade groß genug, daß ich mich hindurchzwängen konnte. Ich lief die Steigung hinauf. Morgana saß wie erstarrt da. Sie trug noch immer das weiße Gewand von der Maifeier und wirkte vollkommen ruhig. Mit ihrem kahlen Kopf sah sie aus wie ein meditierender fernöstlicher Mönch.
    »Sie«, sagte sie, ohne mich anzusehen.
    »Unverhofft kommt oft«, sagte ich.
    »Was haben Sie mit Katharina gemacht?« fragte sie.
    »Die Polizei hat sie festgenommen.« Das Gras war naß. Doch das merkte ich erst, als ich mich schon hingesetzt hatte. Gemeinsam blickten wir zum Himmel, der immer heller wurde. Noch nicht mal von hier oben aus konnte man weit sehen. Tannenspitzen verdeckten die Sicht ins Bergische Land, die vielleicht ganz schön gewesen wäre. Das Konzert der Vögel umgab uns wie eine Klangwolke. Die Luft war kühl und roch nach Erde und Laub. Ich verstand die romantischen Dichter, die immer wieder schrieben, man hätte am frühen Morgen das Gefühl, die Welt sei gerade erst neu erschaffen worden.
    »Warum?« fragte sie.
    »Das müßten Sie eigentlich am besten wissen.«
    »Sie hat ihren Vater nicht umgebracht.«
    »Ich weiß.«
    Sie lachte. »Was wissen Sie schon?«
    »Sie hat mir den Mord geschildert. Und dabei merkte ich, daß einiges nicht paßte. Sie hat sich so sehr in die Welt dieser Hexe hineingesteigert, daß sich Wunsch und Wirklichkeit verwischten. Sie hat sich gewünscht, ihn zu töten. Und das so sehr, daß sie am Ende glaubte, es getan zu haben. So wie sie sich wünschte, Katharina zu sein.«
    »Schön ausgedrückt.«
    »Sie waren es, nicht wahr?«
    Sie schwieg.
    »Sie haben an dem Abend in der Wohnung der Diepeschraths an der Tür gelauscht oder sonstwie herausbekommen, was Gerd Diepeschrath getan hat, und sind noch mal hingefahren.«
    Sie blieb in ihrer Erstarrung. »Wie kommen Sie darauf?« fragte sie schließlich.
    »Haben Sie eigentlich mal erlebt, wie es ist, wenn Gerd Diepeschrath sich in Katharina verwandelt hat?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Ich habe es erlebt. Er steigert sich mit aller Macht in seine Rolle hinein. Die Realität verschwindet.«
    »Was ist Realität?«
    »Die Realität verschwindet«, beharrte ich. »Sie wird so nebensächlich wie der Rahmen von einem Bild.«
    »Wieder schön gesagt.«
    »Leider stimmen in so einem Bild dann die Details nicht mehr so genau. Als Gerd Diepeschrath die Verwandlung in Katharina vollzogen hatte, behauptete er, den Benzinkanister mit verbrannt zu haben. Sie wissen schon, der berühmte Kanister, der später in Beckers Gartenhaus auftauchte. Außerdem phantasierte er mir vor, er hätte die Asche seines Vaters verstreut. Das war eindeutig nicht der Fall.«
    Sie schwieg und schien nachzudenken.
    »Woher wollen Sie wissen, wann die Einbildung stattgefunden hat? Als sie ihren Vater umbrachte, oder als sie Ihnen davon erzählte?«
    »Gerd ist nicht der Typ, der Intrigen spinnt. Zum Beispiel einen Kanister versteckt und ihn dann als Indiz gezielt wieder auftauchen läßt. Genau im richtigen Moment, damit eine betrogene Frau ihren Mann ans Messer liefert. Der Typ sind eher Sie. Was haben Sie getan, als Sie am Hexenteich ankamen?«
    Sie wandte den Kopf und sah mich zum ersten Mal direkt an. Ihr Gesichtsausdruck war böse. »Als Gerd an dem Abend nach Hause kam, war mir klar, daß etwas passiert war. Ich habe tatsächlich gelauscht. Gerd rief immer wieder, daß Katharina sich gerächt habe. Ich wollte das nachprüfen und fuhr hinunter zum Teich.«
    »Und Sie haben das Ganze zu Ende gebracht. Den Kanister aus dem Auto geholt und den Mann verbrannt.«
    »Er hat es verdient.«
    »Warum? Weil er seinen Sohn und seine Frau schlecht behandelt hat?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie machen es sich zu leicht.«
    Die Farbe der Tannen vor uns war langsam von Schiefergrau in dunkles Grün übergegangen. »Wollen Sie es mir nicht erzählen?« fragte ich. »Sie wissen doch, ich bin nun mal ein neugieriger Mensch.«
    Eine Weile blieb sie noch stumm. Dann begann sie zu berichten.
    »Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, warum ich am Sonntagabend bei Andra war.«
    »Stimmt. Das weiß ich nicht.«
    »Wir haben auf Achim gewartet. Er hatte sich für neun Uhr angekündigt.«
    »Also wollte er nach Moitzfeld kommen, nachdem er mit Volker Becker fertig war.«
    »So war es wohl.«
    »Und was wollte er? Ich denke, seine Frau lebte von ihm getrennt?«
    »Er hat es einfach nicht hingenommen, daß sie sich scheiden
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