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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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beeilte sich Uschi zu erklären. „Er stört Fadista beim Fressen nicht.“
    Sie befürchtete, den Hengst nicht mehr aufzäumen zu können, wenn der Kappzaum erst einmal abgenommen war. Hella riss sich zusammen und schluckte weitere Bemerkungen herunter. Andere Länder, andere Sitten, dachte sie und nahm sich vor, Uschi in den nächsten Tagen bei der Arbeit mit Fadista zu beobachten und sich ihr eigenes Urteil zu bilden.
    „Komm, ich zeige dir dein Pferd für den Ausritt“, sagte Uschi.
    Gegen die Kraft und Stärke des Hengstes wirkten die Reitpferde, die auf einer Hangweide dicht am Hof standen und Uschi und Hella gelassen entgegen blickten, so brav und bieder wie Pferde eben sein mussten, die sich tagtäglich auf neue Reiter einstellen und diese sicher und zuverlässig durch die portugiesische Landschaft tragen sollten. Alle Pferde waren gepflegt und in guter Verfassung und ihre Hufe, wie Hella mit einem prüfenden Blick feststellen konnte, korrekt beschlagen. Die kräftigen Gestalten und konvex gebogenen Köpfe wiesen sie allesamt als Lusitanos aus. Hella zählte fünf Schimmel, einen Fuchs, zwei Braune und einen hochbeinigen schmalen Lehmfalben, der einen dunklen Aalstrich über dem Rücken und schwarze Zebrastreifen auf den Vorderbeinen trug. Es war eine Stute und das einzige Pferd, das sich unwillig abwandte, als die Frauen näher kamen.
    „Bonita ist unleidlich mit Menschen und Pferden“, erklärte Uschi, „aber unter einem erfahrenen Reiter sehr angenehm. Willst du sie reiten?“
    „Warum nicht“, sagte Hella mit einem abschätzenden Blick auf die hoch gewachsene Stute, die ihr missachtend die gelbe Kruppe zugewandt hatte. „Wann reiten wir?“
    „Wir treffen uns in einer Stunde vor der Sattelkammer. Heute werde ich den Ausritt führen. Melia ist nach Faro gefahren.“
    „Hoffentlich verfährt sie sich nicht“, meinte Hella in Erinnerung an den vergangenen Abend, als zur Sprache gekommen war, dass sich das Mädchen aus der Lüneburger Heide im Umgang mit den Gästen und Pferden als zuverlässig und gewissenhaft erwiesen hatte, ihre mangelhaften Ortskenntnisse aber dafür sorgten, dass die Ausritte bisweilen eine gute Stunde länger dauerten.
    Bernds Wetterprognose bestätigte sich. Die Sonne schien strahlend vom Himmel, und Hella wurde warm in der leichten Jacke, als sie mit Uschi zum Hof zurückging. Echtes Urlaubswetter, freute sie sich und konnte sich den Eisregen in Hameln kaum noch vorstellen. Sie beschloss, auf das Zimmer zu gehen und vor dem Ausritt einige Seiten im Podhajsky zu lesen. Der Raum war mit Terracottafliesen, weißen Rauputzwänden und dunklen Holzdecken ebenso schlicht eingerichtet wie das gesamte Haus, und die Möblierung war spärlich, aber Hella fühlte sich wohl. An den Wänden im Flur hingen Kopien von Riedinger-Stichen und über Hellas breitem und bequemen Bett das Landschaftsaquarell eines englischen Malers, der öfter Gast auf dem Hof war, wie Uschi erzählt hatte. Hella nahm den Podhajsky und setzte sich auf die Terrasse. Von ihrem Platz aus hatte sie einen freien Blick auf die Hangweide. Dort graste die Gruppe der Jungpferde, die Uschi ihr am Abend aus der Nähe zeigen wollte. Hella genoss es, mit kurzen Ärmeln in der Sonne zu sitzen, und betrachtete eine Weile die grüne Landschaft, bevor sie sich dem Buch zuwandte. Podhajskys Verständnis für die Pferdepsyche war bemerkenswert. Sie vertiefte sich in den Text und hätte fast das Klopfen an der Tür überhört.
    Eilig ging sie ins Zimmer zurück und öffnete die Tür.
    Es war Bernd. „In fünf Minuten treffen sich die Reiter vor der Sattelkammer.“
    Hella warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Beinahe hätte sie die Zeit verpasst.
    Bernd grinste. „Nur keine Hektik, du bist schließlich im Urlaub! Übrigens fahre ich gleich los, um deine Bekannte abzuholen.“
    „Welche Bekannte?“, fragte Hella verwundert. „Wer sollte das sein?“
    „Sie rief gestern spät abends noch an und fragte, ob Hella Reincke angekommen wäre. Sie heißt Swantje von Berner!“
    Er sah sie erwartungsvoll an, als müsse sie in Begeisterungsstürme ausbrechen, aber der Name war ihr völlig unbekannt. Und bisher hatte sie ihr Namensgedächtnis noch nie im Stich gelassen.
     

6
    Bonita erwies sich als angenehm rittig und temperamentvoll. Hella mochte eigenwillige Stuten, und da sie sich von dem grimmigen Gehabe nicht beirren ließ und gleich bleibend freundlich blieb, hatte die Stute bereits zum Satteln die langen Ohren aufgerichtet.
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