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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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Ausfahrt versperrte, um dem Toyota danach in Schrittgeschwindigkeit voran zu kriechen. Das mit der Geduld war wohl ein Spruch für die Touristen, der das Klischee vom langmütigen Südländer bedienen sollte, überlegte Hella belustigt. Oder Klinghöfer hatte die Gelassenheit noch nicht verinnerlicht, obwohl er, wie er beim Einsteigen stolz berichtet hatte, seit über fünfzehn Jahren im Alentejo lebte. Zum Glück bog der Lastwagen ab, bevor Klinghöfer zu einem waghalsigen Überholmanöver ansetzen konnte.
    „Ich soll herzlich von Jette grüßen“, sagte sie, nachdem sie den Flughafen hinter sich gelassen hatten und auf eine Schnellstraße abgebogen waren. Klinghöfer trat aufs Gas und schaltete in den höchsten Gang.
    „Danke“, erwiderte er, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Jette ist einer unserer liebsten Gäste. Schade, dass sie nicht mitgekommen ist.“
    „Sie hat meine Aufgaben zu Hause übernommen“, erklärte Hella.
    Er warf ihr einen schnellen Blick zu. „Ich erinnere mich. Sie hat mir von Ihrem Pensionsstall erzählt.“
    Sie redeten eine Weile über die Unterschiede in der Pferdehaltung zwischen Deutschland und Portugal, bis das Gespräch verebbte und Hella, schläfrig geworden, auf die bergige und grasgrüne, von Korkeichenwäldern und Viehweiden geprägte Landschaft hinaus schaute, die ebenso stetig einsamer wurde wie die Straßen schmaler. Nach anderthalb Stunden, als es bereits dämmerte, quälte sich der Wagen im zweiten Gang über eine ausgewaschene Schotterstraße. In einige Senken stand das Wasser knietief und zwang Klinghöfer zur Schrittgeschwindigkeit, während der Schlamm zu beiden Seiten des Wagens hoch aufspritzte. In den vergangenen Tagen hätte es heftiger geregnet als sonst zu dieser Jahreszeit, erklärte ihr Gastgeber und fügte mit einem aufmunternden Lächeln hinzu: „Aber der Wetterbericht hat uns viel Sonne versprochen. In einer Viertelstunde sind wir am Ziel.“
    Inzwischen war es stockdunkel, und im Licht der Scheinwerfer war kaum mehr zu erkennen als die von Schlaglöchern übersäte Piste. Müde lehnte sich Hella in den Sitz. Sie hatte genug von der Schaukelei und ihr knurrte der Magen. Endlich zeigten sich in der Ferne ein paar Lichter, und im Näherkommen erahnte man die Umrisse eines Gehöfts. „Ist es das?“
    Klinghöfer schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Das sind unsere deutschen Nachbarn.“
    Er ließ die Fensterscheibe herunter und streckte den Arm aus, um einen Mann heran zu winken, der bei einer Gruppe Jugendlicher stand, die im Schein einer Laterne vor dem Haus herum lungerten. Der Mann zögerte, schlenderte dann zum Wagen herüber, als hätte er alle Zeit der Welt.
    Die jungen Leute, überwiegend Mädchen, soweit Hella erkennen konnte, riefen ein paar unflätige Bemerkungen herüber.
    „Hallo Nachbar“, grüßte der Mann und bückte seine schlaksige Gestalt zum Fenster herunter. Hella begrüßte er mit einem höflichen Nicken.
    Klinghöfers Stimme klang angespannt. „Hören Sie, neulich hat sich wieder eins ihrer Mädchen bei mir herumgetrieben. Meine Frau und ich waren mit dem Wagen unterwegs, mussten aber umkehren, weil wir etwas vergessen hatten. Wir erwischten sie im Pferdestall.“
    Das Lächeln des Mannes wirkte gelangweilt. „Sie mag die Viecher eben ...“
    Klinghöfer unterbrach ihn zornig. „Sie mag vor allem den Hengst, den wir aus schlechten Händen übernommen haben. Das Pferd ist kein Schmusepony! Machen Sie ihr das klar.“
    Das fade Lächeln verschwand. „Okay, okay, ich sage es Kati. Sie wissen doch, wie schwierig unsere Mädchen sind. Übrigens war Benni bei uns und ... „
    „Ich verlange, dass Sie meinen Sohn umgehend fortschicken“, fuhr Klinghöfer heftig dazwischen. „Er hat bei Ihnen nichts zu suchen. Und reden Sie mit dem Mädchen!“
    Er gab Gas, und der Wagen ruckelte voran. Klinghöfer wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln an Hella. „Diese Kati ist wie ein Bumerang. Jagt man sie auf der einen Seite davon, schleicht sie sich von rückwärts wieder an. Eine giftige kleine Klette, das ist sie!“
    Er schloss das Fenster und ließ den Wagen im zweiten Gang über die Straße rumpeln, die man nur noch als ausgefahrenen Feldweg bezeichnen konnte.
    Offenbar hatte er das Gefühl, Hella eine Erklärung schuldig zu sein. „Gemeinhin kommen wir gut mit den Leuten aus. Mit diesen Kindern weiß in Deutschland keiner mehr etwas anzufangen. Es sind solche, bei denen – wie soll ich sagen als Bayer – bei denen
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