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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht
Autoren: Markolf Hoffmann
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den eingewirkten Silberfäden über. Die traditionelle Kaufmannstracht des Südbundes würde seinen Anspruch auf den Fürstentitel unterstreichen. Während er die Knöpfe schloß, dachte er wieder an Jundala; er bedauerte es, daß sie den Augenblick seines größten Triumphes nicht miterleben würde.
    Als er das Gemach verlassen wollte, schreckte er an der Tür zurück. Dort stand Sardresh von Narva; zerknittert sein Hemd, der Lederhut auf seinem Kopf ebenso verwittert wie das Gesicht. Die Lippen des Baumeisters glänzten grünlich, und seine Augen waren geweitet. Wie lange er schon an der Tür gestanden und Baniter beobachtet hatte, war schwer zu sagen.
    »Ihr seid bereits angekleidet, Baniter. Sehr gut. Sehr passend.« Sardresh der Schwärmer kicherte, nahm den Hut vom Kopf und preßte ihn gegen die Brust. »Zeit zu gehen, Fürst Baniter. Zeit, die Rätsel zu lösen.» »Wie seid Ihr hier hereingekommen, verflucht?« polterte Baniter. Er konnte es nicht fassen, daß seine Leibritter den Baumeister nicht aufgehalten hatten, zumal er ihnen nach Intharas Überfall vor vier Tagen streng ins Gewissen geredet hatte.
    »Der Palast. Ich kenne ihn besser als jeder andere. Oft habe ich ihn auf Kaiser Akrins Wunsch umgebaut. Neue Räume entworfen. Neue Gänge. Geheime Gänge!« Die Augen des Schwärmers blitzten auf. »Doch es bleibt keine Zeit, Euch alles zu erzählen. Wir müssen gehen!«
    Baniter war nicht in Stimmung für solche Geheimniskrämerei. »Ich bin sehr beschäftigt, Sardresh! Wenn Ihr mir etwas zu zeigen habt, müßt Ihr Euch bis zum morgigen Tag gedulden. Heute tritt der Silberne Kreis zusammen…«
    Sardresh machte einen Schritt auf ihn zu. »Ihr dürft nicht hingehen, Baniter! Es geht etwas vor sich. Ich spüre es. Eine Erneuerung steht uns bevor. Ein Umbau! Das Alte soll stürzen. Einer neuen Ordnung Raum gewähren!« Seine Stimme zitterte. »Und die Verliese! Sie warten auf Euch. Die Gänge werden geöffnet. Man will sie erkunden.« Er zerrte an Baniters Ärmel. »Ich werde Euch hinführen. Die Schriften! Ihr werdet sie lesen können, Fürst…«
    Baniter machte sich von ihm los. »Ihr haltet mich unnötig auf, Sardresh. So erheiternd Eure Wahnvorstellungen auch sein mögen, ich habe keine Zeit dafür.«
    Sardresh blickte ihn flehend an. »Geht nicht in den Kaisersaal. Nicht heute! Ich habe ihn belauscht. Den Jungen, das Kind. Er ist gefährlich. Ein Dämon!«
    Welches Kind?
fragte sich Baniter.
Meint er Uliman?
»Was habt Ihr belauscht, Sardresh? Heraus mit der Sprache!«
    Sardresh fuhr sich mit der Zunge über die grüngefärbten Lippen. »Die Ahnen! Sie sprechen zu ihm. Doch er lauscht nicht ihren Worten. Er mißachtet ihr Flehen. Ihre Befehle. Er will Rache nehmen. Doch wofür, wofür? Wer hat dieses junge Fundament verdorben, das ein Kaiserreich tragen soll?«
    Seine Worte waren wirr, sein Blick fahrig. Baniter gab es auf, den Gedankensprüngen des Schwärmers zu folgen. »Kommt morgen wieder, Sardresh, und wenn möglich, bevor Ihr einen Griff in Euer silbernes Döschen getan habt. Heute aber laßt mich in Frieden, denn dieser Tag ist zu bedeutend, als daß ich ihn mir durch Euren Irrsinn verderben lasse.«
    Sardresh blickte ihn enttäuscht an. »Nun gut. Ich habe Euch gewarnt.« Er wandte sich um, humpelte zum Ausgang. »Ihr werdet es bereuen. Doch vielleicht werden Eure Ahnen Euch schützen. Wir werden es sehen…ja, wir werden es sehen.«
    Baniter sah ihm kopfschüttelnd nach.
Dieser Wahnsinnige hat mir gerade noch gefehlt! Doch jetzt muß ich meine Gedanken auf die Thronratssitzung richten. In wenigen Stunden wird die Schmähung, die meine Familie erleiden mußte, endlich vergessen sein!
    Silbern der Boden, silbern die Säulen - auch das Innere des Doms zu Vara war von einer verschwenderischen Pracht, die jedem Besucher den Atem verschlug; eine riesige Halle mit Seitenschiffen, in denen zahlreiche silberne Statuen standen. Sie stellten Hohepriester vergangener Tage und Märtyrer aus der Zeit der Spaltung dar, blitzten im Licht der unzähligen Kandelaber. Und in der Mitte des Doms, unterhalb der freischwebenden Kuppel, ruhte auf einem Sockel der Kelch des heiligen Lysron, auch er aus reinem Silber. Lysron der Schmied hatte vor vierhundertfünfzig Jahren das Innere des Doms mit dem edlen Metall schmücken lassen, nachdem er sich als erster Priester seit Jahrhunderten in das Verlies von Vara hinabgewagt und lebendig zurückgekehrt war. Lysron hatte unendliche Schätze aus den verborgenen Gängen
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