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Flammenbrut

Titel: Flammenbrut
Autoren: Simon Beckett
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sie wieder an das Feuer im Lagerhaus denken. Mit einem Mal war ihre Kehle wie zugeschnürt,
     und bevor sie selbst begriff, was sie tat, hatte sie den Handschuh bereits in ihre Jackentasche gesteckt und war weitergegangen.
    Als sie zu ihrer Wohnung kam, hatte der Nieselregen aufgehört. Das schmiedeeiserne Tor vor dem viktorianischen Reihenhaus
     stand offen wie immer – die ausgeleierten Angeln fixierten es in dieser Stellung. Der winzige Garten, nicht größer als ein
     großer Läufer, war von einem früheren Bewohner gepflastert worden, aber in der Mitte hatte man für ein dorniges Gewirr von
     Rosenbüschen Platz gelassen. Sie mussten dringend beschnitten werden, bemerkte Kate gedankenverloren. Sie trat auf die kleine
     offene Terrasse und schloss die Haustür auf.
    Auf den Kacheln im engen Flur lagen einige Briefumschläge verstreut. Sie bückte sich und hob sie auf, dann suchte sie die
     an sie adressierten heraus. Es waren nur zwei, eine Rechnung und ein Kontoauszug. Der Rest war Reklame oder Post an ehemalige
     Mieter. Es handelte sich eigentlich um ein Zweifamilienhaus, aber die andere Hälfte stand leer, seit die alte Dame, die dort
     gelebt hatte, im vergangenen Jahr gestorben war. Meist genoss es Kate, das Haus für sich |21| zu haben, aber an manchen Tagen hatte das unbewohnte Apartment etwas Trauriges und Einsames.
    Sie lächelte, als sich eine grau getigerte Gestalt lautstark durch die Katzenklappe in der Haustür zwängte.
    «Hallo, Dougal», begrüßte sie ihren Kater und hob ihn auf, um ihn zu streicheln. Dougal miaute ungeduldig, während Kate ihre
     Wohnung aufsperrte. Auch deren Tür hatte eigentlich eine Katzenklappe, aber Dougal sah keinen Sinn darin, sie zu benutzen,
     wenn Kate da war, um ihn einzulassen. Sie schloss die Tür hinter sich, bevor sie den Kater herunterließ. Nachdem er die mit
     Teppich ausgelegte Treppe hinaufgesprungen war, verklang sein Miauen in Richtung Küche. Kate folgte ihm, zog ihre Jacke aus
     und rümpfte die Nase, als sie den Geruch von Rauch daran wahrnahm, der sich noch immer nicht ganz verzogen hatte. Sie hängte
     die Jacke auf einen Kleiderbügel, um sie demnächst in die Reinigung zu bringen, und erst, als sie die Ausbuchtung in einer
     der Taschen sah, erinnerte sie sich wieder an den Handschuh.
    Der irrationale Impuls, aus dem heraus sie den Handschuh behalten hatte, ärgerte sie. Entschlossen nahm sie ihn aus der Jackentasche
     und ging zum Mülleimer in der Küche. Als sie auf dessen Fußhebel trat, sprang der Deckel auf und gab einen leichten, süßlichen
     Fäulnisgeruch frei. Kate betrachtete das Durcheinander aus Eierschalen und Gemüseabfällen und hielt den Handschuh einen Augenblick
     lang darüber. Aber sie konnte ihn jetzt genauso wenig wegwerfen wie zuvor. Sie nahm den Fuß von dem Hebel, ließ den Deckel
     zuschlagen und ging wieder in ihr Schlafzimmer. Dort zog sie eine Schublade auf, legte den Handschuh ganz weit nach hinten
     unter einen Stapel sauberer Handtücher und schob die Schublade entschlossen zu.
    |22| Anschließend ging Kate wieder in den Flur und band sich mit einem leisen Seufzer der Erleichterung das Haar auf. Das Lämpchen
     am Anrufbeantworter blinkte, jemand hatte eine Nachricht hinterlassen. Sie ließ das Band zurücklaufen, aber wer es auch gewesen
     sein mochte, er hatte aufgelegt, ohne etwas zu sagen.
    Barfuß ging sie ins Wohnzimmer. Wie in der übrigen Wohnung waren die Wände hier von reinem Weiß, teils weil ihr diese schlichte
     Farbgebung gefiel, teils weil das Haus nach Norden lag und ziemlich dunkel wirkte. Selbst jetzt, da es draußen noch hell war,
     vermochten die weißen Wände kaum etwas gegen das düstere Zwielicht auszurichten.
    Kate schaltete eine Tischlampe an. Die Möbel in dem Raum waren modern und von klaren Linien geprägt – bis auf eine alte Seemannskiste
     aus Kiefernholz, die als Couchtisch diente. An der Wand hing ein abstraktes Ölgemälde, das sie auf einer Ausstellung gekauft
     hatte, der einzige Farbtupfer vor dem ansonsten vollkommen ausdruckslosen Hintergrund. Die Wohnung war im Winter viel gemütlicher,
     wenn die langen Nächte kamen und Kate die Vorhänge zuziehen und die Ecken mit künstlichem Licht ausfüllen konnte. Aber jetzt
     schien es ihr trotz der Dunkelheit in der Wohnung nicht angemessen, eine Lampe einzuschalten, solange es draußen noch hell
     war.
    Kate löschte das Licht und machte stattdessen den Fernseher an. Gelangweilt zappte sie sämtliche Kanäle durch. Keine
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