Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flammenbrut

Titel: Flammenbrut
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
gestrauchelt. Mit trockenem Mund sperrte sie im Erdgeschoss die Wohnungstür auf. In dem schwindenden
     Licht wirkte die Gestalt hinter der bunten Verglasung noch undeutlicher als zuvor.
    Sie merkte, dass sie den Atem anhielt. «Wer ist da?»
    |34| «Taxi für Powell.»
    Was ihr da entgegenschlug, war reinstes Cockney-Englisch, keine Ähnlichkeit mit Pauls Stimme. Erleichtert legte Kate den Kopf
     an die Wand. Beinahe hätte sie dem Taxifahrer gesagt, dass sie ihre Meinung geändert habe. Der Drang, sich in ihrer Wohnung
     einzuschließen und ins Bett zu kriechen, war schier überwältigend.
    «Ich brauche noch zehn Minuten», rief sie stattdessen und lief wieder nach oben, um sich anzuziehen.

[ Navigation ]
    |35| Kapitel 2
    Das kleine Mädchen kämpfte verbissen gegen den Schlaf. Ein aussichtsloser Kampf; ihre Augenlider sanken herab, wurden aufgerissen
     und sanken abermals herab. Diesmal blieben sie geschlossen. Kate wartete, bis sie sicher sein konnte, dass Emily schlief.
     Erst dann schloss sie leise ihr Buch und stand auf. Die leichte Bewegung der Matratze schreckte das kleine Mädchen auf, sodass
     es sich nun umdrehte und sich unter der Decke vergrub, bis nur noch ein Büschel hellen Haares zu sehen war.
    Kate schob das Buch leise wieder ins Regal. In dem zweiten Bett des Zimmers schlief Emilys um zwei Jahre jüngerer Bruder.
     Er lag auf dem Rücken, die kräftigen Arme und Beine mit der Sorglosigkeit eines Einjährigen von sich gestreckt. Angus hatte
     seine Decke mehr oder weniger vollständig weggetreten. Kate deckte ihn wieder zu. Dann drehte sie den Dimmer an der Wand,
     bis das Licht aus der Mickymaus-Lampe zu einem fahlen Schimmer verblasste.
    Der Atem der beiden Kinder ließ sich als sanftes Säuseln im Halbdunkel ausmachen. Kate hatte sich geradezu absurd geschmeichelt
     gefühlt, als beide Kinder sich von ihr zu Bett bringen lassen wollten, Angus als Erster und seine Schwester eine halbe Stunde
     später. Eine Woge der Zuneigung schnürte ihr die Kehle zu, als sie die schlafenden kleinen |36| Gestalten betrachtete. Lautlos zog sie die Schlafzimmertür hinter sich zu und ging wieder nach unten.
    Das Haus, eine heruntergekommene, frei stehende Villa in Finchley, besaß Stuckdecken, ein Treppenhaus mit Mahagonigeländer
     und einen kleinen, von Mauern umschlossenen Garten, den Lucy als «den Dschungel» zu bezeichnen pflegte. Der Stuck an den Decken
     blätterte ab, und das Geländer wies zahllose Risse auf, aber es war immer noch besser als die enge, kalte Wohnung, in der
     Lucy und Jack vorher gewohnt hatten. Eine Tante hatte ihnen das Haus vor einigen Jahren vermacht, und sie schienen immer noch
     nicht richtig ausgepackt zu haben. Spielzeug, Papiere und Kleider verteilten sich über Stühle, auf dem Fußboden und auf den
     Heizkörpern. Es war die Art Haus, in der Kate gern aufgewachsen wäre. Sie stieg über ein umgekipptes rotes Dreirad am Fuß
     der Treppe und zwängte sich um einen unordentlichen Stapel Kisten herum, der sich vor der Wand auftürmte. Jack betrieb sein
     Geschäft   – Desktop-Publishing – in dem umgebauten Keller, und alles, was seiner Betätigung dort weichen musste, verteilte sich nach
     und nach im ganzen Haus.
    Als Kate ins Wohnzimmer kam, gab Lucy gerade noch mehr Kohlen auf das Feuer. Sie rasselten aus der Kohlenschütte und deckten
     die Flammen vollkommen zu. Ein feuchter Geruch stieg auf. Lucy setzte die Kohlenschütte ab und wischte sich an einem Lumpen
     die Hände ab. Als sie Kate ansah, waren ihre Augen von einem leuchtenden, beinahe violetten Blau.
    «Sind sie gut eingeschlafen?»
    «In null Komma nichts.»
    «Du solltest öfter kommen. Wenn du hier bist, benehmen sie sich wie die reinsten Engel.»
    |37| Kate lächelte und setzte sich auf den Boden. Die Kohle hatte dem Feuer alle Wärme geraubt, aber schon erhob sich über den
     schwarzen Brocken dampfender Rauch. Das Wohnzimmer war groß und zugig, und außer in den heißesten Nächten ließen Lucy und
     Jack grundsätzlich ein Feuer brennen. Kate begab sich in den Schneidersitz und lehnte sich gegen das Sofa. Der Couchtisch
     vor ihr war mit den Resten des Abendessens übersät; der gebratene Reis und die Nudeln, die sie sich vom Chinesen geholt hatten,
     waren in ihren Aluminiumbehältern zu einer öligen Masse erkaltet. Dazwischen stand eine halbleere Weinflasche.
    Lucy schob sich eine blonde Locke aus den Augen und setzte sich neben Kate auf den Boden. Sie nahm sich eine kalte Garnele.
    «Ich wusste,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher