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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht
Autoren: Stefan Wolf
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stehen.
    „Elke, ich
könnte ihn anspucken. Woher nimmt so ein Kerl diese Überheblichkeit? Gastarbeiter
sind Menschen! Sie haben es schwer bei uns. Es wird immer schwerer für sie.
Statt ihnen das Leben zu erleichtern, entzündet man überall Haß. Heidenreich
ist so ein Hetzer. Wahrscheinlich beutet er ihre Arbeitskraft aus. Aber
ansonsten sind sie Dreck für ihn.“
    Elke hob die
Achseln. „So ist es nun mal.“
    „Und damit
begnügst du dich? Berührt dich das nicht? Hast du nicht das Bedürfnis, was
dagegen zu tun?“
    „Doch,
schon. Aber wie? Daß du Heidenreich die Meinung geigst, bewirkt nichts.“
    „Stimmt
leider. Man müßte auf andere Weise helfen. Den Gastarbeitern zeigen, daß nicht
alle Deutschen so denken.“
    Elke nickte.
Aber es mangelte ihr an Begeisterung. Zu derartigem Einsatz fühlte sie sich
nicht im Stande. In einzelnen Begegnungen — von Mensch zu Mensch — sicherlich,
da schwamm sie ganz auf Lockes Welle und würde offen und nett sein zu Türken,
Griechen, Jugoslawen, Italienern, Spaniern und sonstigen Gastarbeitern. Aber
mehr war nicht drin bei ihr.
    Locke spürte
es und dachte: Tom ist da anders. Ihn werde ich einspannen.
    Bevor sie
das Haus erreichten, hörten sie die Wagen.
    „Unsere
Leute kommen!“ jubelte Elke und hüpfte wie nach der zehnten Ballettstunde.
    So war’s
auch. Hausherrn und Gäste stellten sich ein, nun doch etwas eher als
angekündigt.
    Gunters Saab
hielt auf dem Abstellplatz, daneben der Kreudersche Range Rover. Sechs Personen
und ein Hund quollen ins Freie.
    Nicki, der
mächtige Mischling aus Boxer und Wolfshund, begrüßte Locke mit Ungestüm und
Liebe. Sie hatte alle Mühe, ihr Gesicht vor seiner schleckenden Zunge zu
retten.
    Gunter Rehm
umarmte sein Töchterchen. Mike kniff ihr in die Wange. Tom tat ganz
selbstverständlich, als er seiner hübschen Freundin einen Kuß auf die Stirn
drückte. Locke ihrerseits umarmte Helga Conradi, ihre künftige Stiefmutter, und
begrüßte dann die Kreuders: Onkel Paul, der wie ein britischer Kolonialoffizier
aussah, helläugig, mit rötlichem Teint und englischem Schnurrbart. Und Eva
Kreuder, eine zartgliederige Person mit freundlichem Wesen. Sie ließ sich Eva
nennen. Die Bezeichnung ,Tante’ lehnte sie ab.
    Inzwischen
war auch Elke mit der Begrüßung reihum durch. Von Helga erfuhr Locke, daß die
Operation der Schäferhündin bestens verlaufen und Bianca schon auf dem Weg der
Besserung sei. Nebenbei wurden ausgepackt: Fressalien, Getränke, außerdem
Gartenfackeln, Lampions und Luftballons. Leider hatte Tom seine Gitarre
vergessen.
    Nicki
stromerte los — Richtung Nachbar. Locke sah’s und wußte, was kommen würde,
sagte aber nichts. Im nächsten Moment ertönte wütendes Gebell.
    „Nehmen Sie
diese Bestie an die Leine!“ schrie Heidenreich. Der Schreck saß auf seinen
Stimmbändern.
    Tom flitzte
gleich los, um seinen Vierbeiner zu bändigen.
    „Ach, da ist
jemand?“ meinte Onkel Paul erstaunt. „Das hätte ich nicht vermutet — zu dieser
Jahreszeit.“
    „Ein
gewisser Heidenreich“, sagte Locke. „Ein Bauunternehmer. Aber das erzählen wir
noch.“
    „Etwa Otto
Heidenreich?“ fragte Gunter. „So’n großer Sülzkopf mit Angebermanieren.“
    „Genau der“,
nickte Locke.
    „Puh! Da
hätte ich beinahe gesagt, Tom soll Nicki nur machen lassen.“
    Locke
lachte. „Du kennst offenbar jeden Strolch im Land.“
    „Das bringt
mein Hauptberuf mit sich. Vornehmste Aufgabe des Journalisten ist es, Mißstände
aufzudecken. Und anzuprangern ohne Ansehen der Person, wenn was faul ist.
Heidenreichs Geschäfte stinken zum Himmel.“
    „Davon habe
ich gehört“, meinte Onkel Paul und bürstete mit dem Daumen an seinem
Schnurrbart. „Er ist übrigens mit unseren Nachbarn, den Webers, befreundet.“
    Tom kam mit
Nicki zurück, hielt ihn an der Halskette, die aus beachtlich dickem Stahl war.
Leichtere Kaliber wurden von dem bärenstarken Hund zerrissen, als hätte man ihm
Wäschebänder um den Nacken gelegt.
    „Da hat sich
einer fast in die Hose gemacht“, erklärte Tom geringschätzig.
    Dann
lächelte er Locke an — mit seinem grünen und seinem blauen Auge. Sie erwiderte
seinen Blick.
    Das Pärchen
war wieder zusammen.

3. Ausbeuter und Sklaven
     
    Gemütlichkeit
kehrte ein. Helga und Eva bruzzelten in der Küche. Die Männer und die Mädchen
saßen im Kaminzimmer, Locke hatte erzählt. Nachdenklichkeit stand auf allen
Gesichtern. Onkel Paul, der Hausherr, paffte seine Shagpfeife und kerbte
Waschbrettfalten
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