Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
schloß auf.
    Kalt war’s
und dunkel, und die gefangene Luft roch noch nach Sommer. Sie drehten überall
die Heizungen an, schlossen die Vorhänge, und Locke bewunderte die Bauernmöbel
und den Komfort. Es gab u. a. drei Toiletten, zwei Bäder, eine Dusche und vier
Schlafzimmer, in denen man — je nach Bedarf — beliebig viele Klappbetten auf
stellen konnte.
    Locke und
Elke besorgten das und richteten Bettzeug her.
    Im
Kühlschrank fanden sie eine Pizza, die so groß war wie Lockes Strohhut.
    Elke schob
sie in den Elektroherd. Dann kümmerten sie sich um den offenen Kamin im
Wohnraum. Asche und verkohlte Holzscheite lagen noch drin. Er wurde gesäubert,
und bald prasselte ein Feuer. Mit ihren Pizzahälften und einem Glas Apfelsaft
hockten sie sich auf den Schaffellteppich, dicht an die Glut.
    Es war jetzt
stockdunkel draußen. Der Nachtwind orgelte um die Hausecken. In weiter Ferne
schlug eine Kirchturmuhr.
    Während des
Essens setzte Elke ihren Teller ab. Zum dritten Mal überprüfte sie, ob die
Alarmanlage eingeschaltet war.
    „Kannst es
mir glauben, Locke: Hier ist noch nie was passiert.“
    „Das sagtest
du schon. Und ich glaube es ja.“
    Elke
lächelte schuldbewußt. Als bereue sie ihren Vorschlag, einen Tag früher hierher
zu fahren.
    Sie war ein
halbes Jahr älter als Locke, also schon 15: hellblond und grünäugig. Sie war
hübsch — auf eine etwas stabile Weise — und als Freundin verläßlich. Wie sie
Locke heimlich gestanden hatte, schämte sie sich ihrer strammen Waden. Die
waren tatsächlich beachtlich, denen eines Sechs-Tage-Rennfahrers nicht
unähnlich — aber ein Unglück nun auch wieder nicht. Daß Elke sie täglich mit
Schlankheitscreme einrieb, nützte leider nichts. Sie trug vornehmlich Hosen,
Jeans natürlich. Trotz ihrer athletischen Waden war sie bei den Jungs beliebt.
Geschwister hatte sie nicht.
    Der Wind
fauchte lauter, schwoll an zum Sturm. Er plünderte im Laub und riß Äste von den
Bäumen.
    „Huch!“
    Elke
erschrak, als ein Ast krachend auf dem Dach landete.
    Locke vergoß
etwas Apfelsaft.
    „Unheimlich,
nicht?“ Alles Blut aus Elkes Gesicht war in die Waden entwichen.
    „Naja, es
geht. An Gespenster glaube ich nicht. Und passiert ist hier noch nie was, wie
du mehrfach sagtest.“
    Elke lachte.
„Ich war noch keinmal ohne meine Eltern hier. Daß man sich... eh... einsam
fühlt, hätte ich nicht gedacht.“
    „Um
zurückzufahren, ist es jetzt zu spät.“
    „Viel zu
spät!“ nickte Elke.
    „Und weshalb
sollten wir?“ übte Locke ihren Mut. „Wir haben das ganze Haus für uns. Morgen
wimmelt es hier von allen möglichen Leuten.“
    „Bringt Tom
seine Gitarre mit?“
    „Er hat’s
angedroht.“
    „Wäre doch
prima. Morgen abend könnten wir uns hier ums Kaminfeuer setzen und singen.“
    „Lalala...“,
machte Locke. „Ob Hit oder Volkslied — kein Mensch weiß die Texte. Daran
scheitert es immer. Sogar bei den Weihnachtsliedern.“
    „Lalala ist
nicht der schlechteste Text.“
    Locke sah
auf ihre zierliche Armbanduhr. „Ich habe versprochen, meinen Papi anzurufen. Er
will wissen, daß wir gut gelandet sind — im Ferienpark von Kleinbeeren.“
    Sie griff
zum Telefon.
    Gunter Rehm
meldete sich und atmete auf, als er die Stimme seines Töchterchens hörte.
    „...hier ist
alles bestens“, berichtete sie. „Wir sitzen am Kaminfeuer und wärmen uns die
Nasen. Draußen heult der Sturm, und die andern Häuser sind leer. Bring’ mir
bitte meinen roten Pullover mit, ja! Den mit dem Herz.“
    „Wird
gemacht“, lachte Gunter. „Und natürlich werde ich auch deine Zahnbürste
einpacken.“
    „Fehlanzeige,
Herr Redakteur. An die habe ich selbst gedacht. Ist schon hier. Ist Mausi
gesund?“
    Gemeint war
ihre weiße Maus, die eigentlich Helena hieß, aber Mausi genannt wurde.
    „Sie hat
gerade nach dir gefragt. Ihr geht’s gut. Gebt auf euch acht, ihr beiden.“
    Sie
versprach es.
    Später sahen
sich die beiden einen Fernsehfilm an. Ausgerechnet einen Krimi, bei dem
Kidnapper in ein einsames Landhaus einbrechen und eine junge Frau und deren
Freundin entführen und...
    An dieser
Stelle schalteten sie den TV aus, überprüften nochmals Fenster und Türen,
schoben im Kamin die glimmenden Scheite zusammen und bezogen dann das kleinste
der Gästezimmer, wo sie sich einschlossen.
    Gästezimmer,
Bäder und Duschraum lagen im Obergeschoß.
    Sie lasen.
Immer noch heulte der Sturm. Elke döste und schlief dann ein — mit dem
aufgeklappten Buch in der Hand.
    Locke legte
es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher