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Flammen der Rache

Flammen der Rache

Titel: Flammen der Rache
Autoren: Shannon McKenna
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Haltung, bevor er es wagte aufzustehen. Bevor er den Mut fand zu tun, was er tun musste.
    Er schüttelte zwei Tabletten aus einer speziellen Flasche, zögerte einen Augenblick und ließ eine dritte herausfallen.
    Er tat es aus Liebe, versicherte er sich wieder und wieder. Er tat es für sie. Für sein kostbares Mädchen. Er konnte Lily nur beschützen, indem er den Mund hielt und das Gift schluckte. Er musste sein Wissen unter einem Felsbrocken verbergen. Sein furchtbares Geheimnis. Aber dafür brauchte er Hilfe, und zwar etwas Stärkeres als Alkohol. Wenn es ihn umbrachte, dann sollte es eben so sein.
    Für Lily wäre es das Beste.

1
    Portland, Oregon
    Heute
    Es war nur ein Traum, Mann. Nur ein beschissener Traum.
    Und? Zu wissen, dass es nichts weiter als ein Traum gewesen war, änderte nicht das Geringste. Wenn Bruno ihn träumte, steckte er darin fest, gefangen in einem weißen Nirgendwo, in dem diese dröhnende Stimme in seinem Kopf ihn fast in den Wahnsinn trieb, obwohl sie nur Zahlenfolgen aussprach. »…
DeepWeave vier Punkt zwei, Kampfstufe acht, Sequenz fünf läuft an … vier, drei, zwei, eins
…«
    Dann griff Rudy, der nach Bier und Schweiß stank, ihn an. Mit einem Schnappmesser in der einen Hand und einer zerbrochenen Bierflasche in der anderen attackierte er Bruno wie ein Berserker.
    Zusammengeschlagen und blutend kauerte Brunos Mutter hinter Rudy auf dem Boden, ihr Blick flehend über dem Knebel. Und das alles nur, weil ihr nutzloser Hasenfuß von einem Sohn nicht die Eier gehabt hatte, sich Rudys Beretta zu schnappen und den Drecksack abzuknallen. Auch ein Stich mit der Küchenschere in die Halsschlagader würde genügen. Ein Brotmesser zwischen die Rippen. Eine Machete.
Nimm das, du Schwanzlutscher
. Oder besser noch: eine Kettensäge, mit der er den tollwütigen Hund in Stücke reißen konnte, bis das Blut in alle Richtungen spritzt.
Das hast du jetzt davon, dass du meine Mama geschlagen hast, du verfickter Hurensohn
.
    Aber selbst dann, wenn ihm im Traum ein perfekter Treffer gelang, starb Rudy nicht. Stattdessen verschwand der Bastard einfach spöttisch zwinkernd von der Bildfläche, und ein neuer, unversehrter Rudy schoss an einer anderen Stelle aus dem Boden. Es war ein Videospiel aus der Hölle, in dem jemand mit gespaltener Zunge die Regeln bestimmte.
    Ausweichend, angreifend, zustoßend, boxend und tretend kämpfte Bruno erbittert weiter, bevor Rudy sich zu sechs Klonen vervielfachte, die ihn alle gleichzeitig attackierten und zu Boden warfen.
    Die Bilder zersplitterten. Sie rangen weiter um die Vorherrschaft in seinem Kopf, doch die Realität stahl sich mit dem Aufwachen durch die Risse.
    Autsch
. Es hätte eine Erlösung sein müssen, aber oh Gott – sein Kopf. Er dröhnte, als wäre er mit einem Baseballschläger bearbeitet worden. Brunos Herz hämmerte gegen seine Rippen.
    Der Sturz auf den Boden hatte ihn aufgeweckt. Er lag neben seinem Bett. Er war Bruno Ranieri, und er war zweiunddreißig Jahre alt, keine zwölf mehr. Dies war sein breites Doppelbett in seiner Eigentumswohnung und nicht in dem schäbigen Apartment seiner Mutter in der Mietskaserne in Newark. Das schweißgetränkte Laken, das sich wie eine Schlinge um seinen Knöchel gewickelt hatte, war eine Maßanfertigung aus hochwertiger ägyptischer Baumwolle. Das Panoramafenster rahmte die rosa getönte Skyline von Portland und den Mount Hood ein, anstatt den Blick auf eine rußige Backsteinmauer freizugeben, vor der eine Reihe Mülltonnen stand. Hier gab es keine dünnen Wände, hinter denen ein betrunkener, tobender Rudy Brunos Mutter verdrosch. Er ließ den Blick durch seine Wohnung, sein Leben schweifen.
    Er bemühte sich, es zu glauben, es als das Seine anzusehen.
    Bruno rang heiser keuchend nach Luft. Er war schweißgebadet, und seine Muskeln zuckten, als hätte man ihm Elektroschocks verpasst. Er zerrte das verdrehte Laken von seinem Knöchel und streckte sich lang auf dem kühlen Holzboden aus.
    Das alles lag weit hinter ihm. Rudy war seit Jahrzehnten tot, dafür hatte Onkel Tony gesorgt. Auch seine Mutter war gestorben – vor achtzehn Jahren. Niemand konnte ihr mehr wehtun.
    Es war nur … ein … verfickter …
Traum
. Vergangenheit. Tot und begraben.
    Er hatte sich zu neuen Ufern aufgemacht, sein Leben umgekrempelt. Er war heute nicht mehr dieser hilflose Junge. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, stand er schwankend auf. Er griff auf die Tricks zurück, die Kev ihn gelehrt hatte.
Wenn du nicht ertragen kannst,
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