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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf
Autoren: Ernest Claes
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über seine Wangen, daß sie glühendrot wurden.
    Um das grünbemooste Brunnenfaß scharrten die Hühner ungestört weiter. Über den Holunderstrauch hinweg sah er seine Mutter im Garten mit den Rüben beschäftigt. Und über Wiesen und Feldern ringsherum wuchs der strahlendheiße Sonnentag.
    Flachskopf ging hinein, um Kaffee zu trinken. In der Wohnstube hing noch der muffige Morgendunst, die Fenstervorhänge waren heruntergelassen wegen der Sonne, die bald auf dieser Seite des Hauses stehen würde, die Fliegen krabbelten an der schwarzen Stubendecke und an den Fenstervorhängen, auf Wänden und Tisch, und trieben mit leisem Flug durch die große, niedrige Stube. Im Herd war das Feuer ausgegangen; die schwarze Katze saß daneben und schlief, zusammengekauert und mit fest zugekniffenen Augen, als ob sie angestrengt über die Erlebnisse der vergangenen Nacht nachdächte. Die Wanduhr schwang ihr langes Pendel mit dem Messingschild am untern Ende mit leisem Ticktack ruhig hin und her, als ob der Tag, der soeben begann, noch ewig lange dauern würde und man sich durchaus nicht zu eilen brauchte. Gerade als Flachskopf eintrat, fing oben in dem runden Kopf, wo unsichtbar das Leben verborgen saß, ein rumorendes Summen an, das anhielt, bis acht klare metallene Klänge heraussprangen, und dann begann das eintönige und ununterbrochene Ticken von neuem. Auf dem weißglänzenden Zifferblatt stach der kleine Zeiger ins volle Schwarz der römischen Acht, und der große rutschte lässig zur Eins hinüber, als ob es ihn nun weiter nichts mehr anginge und er seine Schuldigkeit getan hätte.

    Flachskopf sah auf die Uhr und knurrte: »Siehst du wohl, daß es noch nicht acht war«, und dann setzte er sich an den Tisch. Neben der Kaffeekanne lagen drei Butterbrote für ihn zurechtgemacht. Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, guckte durch die offene Hintertür nach dem Garten, um zu sehen, ob die Mutter nicht zurückkäme — und holte sich aus der Zuckerdose im Speiseschrank drei Stückchen Würfelzucker. Ruhig fing er nun an, seine Brote zu verzehren, ohne vorher das Tischgebet zu sprechen, da ihn ja doch niemand sah. Er schlürfte, immer wieder vom Kaffee kostend, und schlug nach den Fliegen, die sich überall auf dem Tisch in kleinen Löchern und Rissen an Brotkrümelchen und naßbraunen Kaffeedecken zu schaffen machten.
    Die drei Butterbrote waren schnell verzehrt; er schnitt sich noch eins ab, und als er dieses ebenfalls gegessen hatte, ging noch ein halbes hinterher, das von früh liegen geblieben war.
    Flachskopf hatte schlechte Laune, sehr schlechte Laune. Zuerst schon diese Träume, die ihn schnöde belogen hatten, dann der Spatz, der wohl nirgends mehr zu finden sein würde, die Mutter mit ihrem ewigen Genörgel, zu wenig Butterbrote und dazu noch dieser dreckige Kaffeetisch, — wenn sie vielleicht dächten, daß er diesen Schmutzhaufen aufräumen würde! ... nein, er konnte ebensogut alles stehen und liegen lassen!
    Wie Flachskopf aussieht? — Um mit seinem Kopf anzufangen: schlohweißes Haar, »Schweineborsten« nannte ihn der Lehrer manchmal, um mit einem Wort den ganzen Flachskopf zu bezeichnen. Eine niedrige Stirn, kleine braune Äuglein, die überall zugleich herumspähten, ein mageres Gesicht, große, weit abstehende Ohren, ein Mund, den man ziemlich breit nennen durfte, — was Heini, seinen ältesten Bruder, einmal veranlaßt hatte zu sagen: »Bei unserem Flachskopf kann man an seiner Fresse gut sehen, daß er besser essen als arbeiten kann.« Flachskopf hatte es als eine Beleidigung aufgefaßt, wegen des Tones, in dem es gesprochen wurde; aber sonst fand er es sehr natürlich, auch ganz abgesehen von der »Fresse«. Flachskopf hatte breite Schultern, eine starke Brust, kräftige Arme und Beine, die sich an den Ellenbogen und an den Knieen durch Jacke und Hose hindurcharbeiteten, weil diese Teile am meisten bei seinen täglichen Leibesübungen in Anspruch genommen wurden.
    Im ganzen ein strammer Bengel, aus dem ein handfester Kerl herauswachsen würde. Er hieß eigentlich »Lewie«, nicht »Flachskopf«; diesen Namen hatten ihm nur seine Haare verschafft. »Louis«, nach französischer Art, nannte ihn nur früher die Schwester in der Klosterschule, und auf seine Schulhefte schrieb er feierlich »Ludovicus«. Der Pfarrer nannte ihn beim Religionsunterricht einfach »Flachskopf«, aber das fand er immer noch vornehmer, als »Rotkopf« zu heißen, wie der Dries aus dem Weidenhof.

    Flachskopf war der jüngste, neun
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