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FJORD: Thriller (German Edition)

FJORD: Thriller (German Edition)

Titel: FJORD: Thriller (German Edition)
Autoren: Halvar Beck
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Umweg einzulegen. An einem Steg blieb er stehen. Tief in Gedanken versunken, musterte er die Konstruktion, die, jahrzehntealt, genauso morsch aussah, wie sich seine Knochen anfühlten. Achtundzwanzig Jahre war es her, dass sein einziger Sohn hier den Tod gefunden hatte.
    Damals war der Steg gerade im Bau, der Fischfang blühte und die Anleger für die Privatboote der Anwohner wurden knapp, da die Flotte den Hafen für sich beanspruchte.
    Anders war über die Absperrung geklettert. Er liebte das Wasser, obwohl er nicht schwimmen konnte. Hoch und heilig hatte er seinen Eltern versprochen, dem Ufer nicht zu nahe zu kommen, nicht aufs Wasser hinauszugehen, bis er im Sommer das Schwimmen gelernt hätte. Er war ein schwaches Kind gewesen, häufig krank, von Bronchitis und Allergien geplagt. Morgan hatte seinen Sohn über alles geliebt, aber nie verstanden, warum er so gar nichts von ihm zu haben schien. Weder seine robuste Gesundheit noch seine kräftige Statur, die jetzt allerdings, besonders im Laufe der letzten Jahre, eher schwammig und aufgedunsen wirkte. Morgan wusste, dass der Alkohol daran ebenso schuld war wie das Cortison. Den Tod des Jungen hatte er sich nie verziehen.
    Kurz vor dem Gebäude, das jahrzehntelang sein eigenes Zuhause gewesen war, verlangsamte Carl Morgan seine Schritte. Leicht fiel es ihm nicht, dieses Haus zu betreten. Er war seit seiner krankheitsbedingten Frühpensionierung nicht mehr hier gewesen. Wenn sein Nachfolger dienstliche Fragen an ihn hatte, so musste er ihn in seiner neuen Unterkunft aufsuchen. Oder man traf sich in der Kneipe. Zu Beginn war Hetland öfter zu ihm gekommen. Aber vermutlich mehr aus Mitleid denn aus beruflichen Gründen. Auf das konnte er jedoch gut verzichten. Carl Morgan hatte für sich beschlossen, nie mehr einen Fuß ins Polizeihaus zu setzen. 
    Er zog einen Flachmann, den ständigen Begleiter seit Emmas Tod, aus seiner Jacke und nahm einen kräftigen Schluck. Den hatte er jetzt bitter nötig. Es war ihm egal, wie oft Noah ihn davor gewarnt hatte, Alkohol in Verbindung mit seinen Tabletten zu nehmen. Sie wirkten, der Rest interessierte ihn nicht.
    Schließlich schob er die Tür auf und polterte in den Raum. Hinter dem Tresen saß Tor Einar Hetland an seinem Schreibtisch. Mausklicken. Carls Miene verzog sich verärgert. Kinderkram. Gute Polizeiarbeit leistete man seiner Meinung nach nicht am Computer. Das Klappern der Schreibmaschine hörte sich nach richtiger Arbeit an, das Klicken von Mikroschaltern in Computermäusen nicht. Was waren das nur für Zeiten? Vergeblich hatte man versucht, ihn an den Fortschritt zu gewöhnen, und es schließlich aufgegeben. Kongesanger war auch zu unwichtig – außer diesem einen Mord, Kneipenschlägereien und kleineren Delikten war nie viel vorgefallen. Die meiste Arbeit bestand aus Verwaltungstätigkeiten, und so ließ man Carl Morgan auf seine Weise gewähren. In dieser Abgeschiedenheit wäre die »Zeiteffizienz«, die sich von Oslo aus im gesamten Polizeiapparat fortpflanzte, ohnehin nur belächelt worden. Die Menschen in Kongesanger hatten Zeit, und die brauchten und verbrauchten sie, wie es ihnen gefiel.
    Doch mit dem Nachfolger Hetland war ein frischer, moderner Wind durch den Ort gezogen. Vierundzwanzig Jahre jung, unerfahren, aber geradezu versessen auf den Posten in Kongesanger, wie Carl von einem alten Bekannten erfuhr, einem seiner früheren Mitarbeiter, der nun in Trondheim für Personalangelegenheiten zuständig war. Alles hätte er gegeben, um hierher zu kommen. Unzählige Male hätte er im Präsidium angerufen und sich nach dem Stand des Besetzungsverfahrens erkundigt. Es kam Carl von Beginn an merkwürdig vor, dass der junge Mann, angeblich Bester seines Jahrgangs, eine vielversprechende Karriere ausschlug, um den Dienst hier in der Einöde anzutreten.
    Carl fragte sich, wie lange er es wohl hier aushalten würde. Der Briskefjord musste ihm wie der Arsch der Welt vorkommen. Nicht mal Autos gab es hier. Kongesanger war von Bergen umzäunt, und der einzige Weg rein oder raus war der über das Meer, oder per Helikopter, wenn es schnell gehen musste und das Wetter mitspielte. Was konnte Tor Einar Hetland hier wollen?
    »Ah, Morgan«, staunte der junge Mann, stand auf und wandte sich dem Tresen zu, »schön, dich hier zu sehen. Willst du zum Fischen?«, fragte er mit Blick auf die Angel, die Carl bei sich trug.
    Morgan ging um den Tresen herum und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Zu gerne hätte er noch einmal auf
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