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Five Stars 02 - Wildes Verlangen

Five Stars 02 - Wildes Verlangen

Titel: Five Stars 02 - Wildes Verlangen
Autoren: Lesley Ann White
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Turmes schoben. Der Sohn des Toten sprang behände auf das Bambusgestell, dass danach sofort von mindestens dreißig Männern in die Höhe gehoben wurde. Eine andere Gruppe nahm den Stier und schon machten sich alle unter fröhlichem Rufen und Lachen auf den Weg durchs Dorf. Dabei wechselten sie immer wieder die Straßenseite, rannten mal schnell, um dann wieder langsam zu schlendern. Das Turmgestell wurde ständig hin und her bewegt. Die Männer schwenkten es nach links, dann nach rechts, dann wieder ein Stück zurück, um im nächsten Moment zehn Meter nach vorne zu rennen. Man sah den verschwitzten Gesichtern die Anstrengung an, zur Abkühlung kübelten ihnen immer wieder Zuschauer am Straßenrand unter lautem Gejohle Wasser über die erhitzten Körper. »Sie müssen den Geist des toten Mannes verwirren«, erklärte Ketut, der schon wieder an einer dieser Nelkenzigaretten zog. »Wir glauben, dass der Geist des Verstorbenen versucht, in den Körper zurückzukehren. Deshalb muss der Körper auch verbrannt werden, damit der Geist für das nächste Leben frei wird.«
    »Und deshalb schlagen die Männer mit dem Toten ständig Haken?« fragte ich.
    »Genau so ist es. Dann findet er den Weg in den Körper nicht mehr.«
    Ketut lachte laut und fröhlich und niemand störte sich daran.
    Nach einer halben Stunde erreichten wir den eigentlichen Verbrennungsplatz, auf dem ein großer Scheiterhaufen errichtet worden war. Es begannen rätselhafte Zeremonien, bei denen der Priester und die Angehörigen den Toten aus dem Sarg hoben und in den Stier betteten. Anschießend wickelten sie ihn aus dem Tuch, besprengten ihn mit Wasser und murmelten Gebete. Dabei spielte das Orchester ununterbrochen und hörte auch nicht auf, als die Flammen die sterblichen Überreste des Menschen verzehrten.
    Auf der Weiterfahrt sprach ich kein Wort. Die Zeremonie hatte mich tief beeindruckt. Der Tod hatte auf Bali anscheinend keinen Schrecken. Jeder Mensch hatte viele Leben, warum sich also sorgen? Das Erlebnis hatte mich derart fasziniert, dass ich kaum noch offen war für die Schönheit des Muttertempels Besakih. Ketut gab sich alle Mühe, mir die Geschichte des Tempels, in dem die drei obersten Hindugötter Brahma, Shiva und Vishnu verehrt werden, nahezubringen. Er erzählte von dem großen Fest, bei dem ein Mal im Jahr in einer Vollmondnacht Tausende von Pilgern in das Heiligtum strömen und die Rajas von Bali erscheinen und ihren Vorfahren opfern. Ehrfürchtig berichtete er von der größten religiösen Zeremonie der Insel, die nur ein Mal in hundert Jahren durchgeführt wird. Beim letzten Fest im Jahr 1968 kam es zu einem verheerenden Ausbruch des Vulkans, weite Landstriche wurden verwüstet, über 1100 Menschen starben und 86.000 wurden obdachlos. »Es war ein Wunder, dass der Tempel verschont blieb.« Ich spürte die Ergriffenheit in Ketuts Stimme. »Ein wirkliches Wunder«, setzte er zitternd hinzu und ich widersprach ihm nicht, denn ich hatte das Gefühl, dass auf dieser Insel fast alles möglich war.
    Nach dem anstrengenden Abstieg vom Tempel zum Parkplatz, ließ ich mich ermattet in den Sitz fallen.
    »Müde?« fragte Ketut.
    Ich nickte. »Und hungrig.«
    »Madé wird alles vorbereitet haben«, sagte Ketut und schwieg danach beharrlich auf meine Frage, was er damit meinte. Obwohl es mir schwer fiel, mich zu orientieren, glaubte ich nicht, dass wir zurück zum Hotel fuhren, denn die Straße war wesentlich belebter. Langsam erholte ich mich von den Eindrücken des Tages und meine Neugier kehrte zurück. Nach anderthalb Stunden Fahrt erreichten wir eine kleine, sehr lebendige Stadt. Vor einem Haus stand eine Menschenschlange, hauptsächlich Weiße. »Schon wieder eine Zeremonie?« fragte ich.
    »Nein, nein!« Ketut lachte. »Hier wohnt ein bekannter Heiler und Wahrsager. Seitdem er einer Hollywoodschauspielerin die Zukunft vorausgesagt hat, kann er sich nicht mehr vor Kunden retten. Stell dir vor, er nimmt zwanzig Dollar pro Sitzung. Er ist ein reicher Mann geworden.«
    »Und, ist er sein Geld wert?«
    Ketut zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht, ich war noch nicht bei ihm. Ich vertraue dem Heiler in meinem Dorf. Der ist auch viel billiger.«
    Wieder ließ Ketut sein fröhliches, klares Lachen erklingen und in seinen Augen blitze es schelmisch.
    Wir durchquerten das Städtchen, in dem sich Restaurants, Cafés, Spas, Massagesalons und Kunstgalerien aneinanderreihten.
    »Früher war Ubud einmal das künstlerische und spirituelle Zentrum
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