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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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immer im Jetzt lebt.
    So kannten wir die Nächte und die Tage, den Hunger und die Sättigung. Erfuhren wilde Freuden und Überraschungen wie die, eine Maus zwischen die Vorderzähne zu nehmen, in die Höhe zu schleudern und mit einem Happen hinunterzuschlucken. Das tat so gut. Dann ein Kaninchen aufscheuchen, es verfolgen, während es mit weiten Sätzen und hakenschlagend flieht, sich dann im entscheidenden Augenblick strecken und es in einem Gestöber von Schnee und Fell packen, es schütteln und ihm das Genick brechen. Schließlich das genüßliche Verzehren, ihm den Bauch aufzureißen und mit der Nase durch die dampfenden Eingeweide zu stöbern und da nach das di cke Fleisch der Keulen und das mürbe Knirschen des Rückgrats zu ge nießen. Auf den vollen Bauch folgt der Schlaf. Und dann das Erwachen, um erneut zu jagen.
    Wir hetzen eine Ricke über einen zugefrorenen Teich. Zwar können wir eine solche Beute nur selten schlagen, aber wir genießen die Jagd. Wenn sie durch das Eis bricht und wir kreisen, kreisen endlos um sie herum, während sie mit den Hufen nach einem Halt scharrt und schließlich wieder herausklettert, dann aber
zu erschöpft ist, um unseren Zähnen auszuweichen, die ihre Sehnen durchbeißen, unseren Fängen auszuweichen, die sich um ihre Kehle schließen. Wir schlagen uns den Bauch voll an dem Kadaver, nicht nur ein mal, sondern zweimal. Ein Hagelsturm treibt uns zum Lager. Dann schla fen wir geborgen und zusammengerollt, während der Wind Eisregen und dann Schnee über die Ebene treibt. Wir erwachen in dump fer Helligkeit, die durch die Schneewehe vor dem Eingang zu uns hereindringt. Wir graben uns nach draußen in den kla ren, kalten Tag, der sich eben sei nem Ende zuneigt. An der Ricke ist noch Fleisch. Es ist gefroren und liegt rot und süß unter dem Schnee. Was kann be friedigender sein, als zu wissen, dass Fleisch auf dich wartet?
    Komm.
    Wir zögern. Nein, das Fleisch wartet. Wir traben weiter. Komm jetzt. Komm zu mir, ich habe Fleisch für dich.
    Wir haben schon Fleisch. Und ganz nah.
    Nachtauge. Wandler. Das Herz des Rudels ruft euch.
    Wir verharren erneut. Schütteln uns. Dies ist nicht angenehm. Und was küm mert uns das Rudelherz? Er ist kein Bruder. Er schubst uns umher. Da ist Fleisch, ganz in der Nähe. Es ist entschieden. Wir gehen zum Teichufer. Hier. Irgendwo hier. Ah. Den Kadaver aus dem Schnee graben. Die Krä hen sammeln sich, um darauf zu warten, dass wir uns satt gefressen haben.
    Nachtauge, Wandler. Kommt. Kommt jetzt. Bald wird es zu spät sein.
    Das rote Fleisch ist gefroren und knirscht bei jedem Bissen. Wir drehen den Kopf, um es mit den Backenzähnen von den Kno chen zu schneiden. Eine Krähe wagt sich näher heran und landet auf dem Schnee. Sie legt den Kopf schräg. Zum Spaß machen wir einen Satz in ihre Richtung, sie flattert davon. Unser Fleisch, alles. Tage und Nächte voller Fleisch.

    Komm. Bitte komm. Bitte. Komm bald, komm jetzt. Komm zu rück zu uns. Du wirst gebraucht. Komm, komm.
    Er geht nicht weg. Wir legen unsere Ohren zurück, aber wir hören ihn immer noch, komm, komm, komm. Mit seinem Winseln stiehlt er uns den Genuss an dem guten Fleisch. Genug.
    Wir haben vorläufig genug gefressen. Wir werden gehen, damit er Ruhe gibt.
    Gut, das ist gut. Komm zu mir, komm zu mir.
    Wir traben durch die hereinbrechende Dunkelheit. Ein Kaninchen richtet sich plötz lich auf, hoppelt über den Schnee davon. Sollen wir? Nein. Der Bauch ist voll. Weitertraben. Queren einen Menschenweg, eine kahle Schneise unter dem Nachthimmel. Wir tauchen schnell wieder in die Wälder, die ihn säumen.
    Komm zu mir. Komm. Nachtauge, Wandler, ich rufe euch. Kommt zu mir.
    Der Wald ist zu Ende. Unter uns ein baumloser Hang, dahinter eine Ebene, die keine Deckung bietet, zu offen ist. Der verharschte Schnee ist unberührt, doch am Fuß des Hügels sind Menschen. Es sind zwei. Rudelherz gräbt, während ein anderer zuschaut. Rudelherz gräbt angestrengt und schnell. Sein Atem dampft in der Kälte. Der andere hält ein Licht, ein zu grelles Licht, das die Augen erstarren lässt. Rudelherz hört auf zu graben. Er blickt zu mir hinauf.
    Komm, sagt er. Komm.
    Er springt in das Loch hi nein, das er gegraben hat. Schwarze Erde, gefrorene Schollen liegen auf dem sauberen Schnee. Er landet darin mit ei nem dump fen Aufprall, der wie jener von ei nem Hirschgeweih gegen einen Baumstamm klingt. Er kauert sich hin. Ein scharrendes Geräusch. Er benutzt ein Werkzeug, das hackt und gräbt. Wir
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