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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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Antworten vielleicht für ei nen anderen armen Dummkopf, irgendwann in der Zukunft, der ebenso unter dem Widerstreit der magischen Kräfte in sich zu leiden hat wie ich.
    Doch sobald ich mich anschicke, das Vorhaben in die Tat umzusetzen, komme ich ins Zaudern. Wer bin ich, meinen Willen gegen die Weisheit jener zu stellen, die vor mir waren? Soll ich in klarer Schrift darlegen, wie jemand, dem die Gabe der alten Macht zuteil wurde, seinen Wirkungskreis vergrößern kann oder ein Le bewesen an sich binden? Soll ich die Einzelheiten der Ausbildung erläutern, die man durchlaufen muss, bevor man als ein der Gabe Kundiger anerkannt wird? Die Heckenmagie und die übrigen Praktiken habe ich nie beherrscht. Habe ich das Recht, ihre Geheimnisse auszugraben und auf Papier zu spießen wie zu Studienzwecken gesammelte Schmetterlinge oder Blätter?
    Ich versuche mir vorzustellen, was man mit solchem - wohlfeil
erworbenen - Wissen alles tun könnte, und das führt mich zu der Überlegung, was es mir eingebracht hat. Macht, Reichtum, die Liebe einer Frau?, frage ich mich selbstironisch. Weder die Gabe noch die alte Macht haben mir je das eine oder das andere verschafft. Oder falls doch, besaß ich we der den Verstand noch den Ehrgeiz, danach zu greifen.
    Macht. Ich glaube nicht, dass ich je um ihrer selbst willen danach Verlangen hatte. Ich wünschte sie mir, wenn ich am Boden lag oder wenn andere, die mir nahestanden, unter der Willkür der Mächtigen leiden mussten. Reichtum. Darüber habe ich nie ernsthaft nachgedacht. Von dem Augenblick an, da ich, als sein illegitimer Enkelsohn, König Listenreich Gefolgschaft gelobt hatte, sorgte er für die Befriedigung all meiner Bedürfnisse. Ich hatte reichlich zu essen, mehr Ausbildung, als mir manchmal lieb war, Alltagskleidung genauso wie är gerlich modisches Zeug, und oft genug standen mir dazu noch ein oder zwei Münzen zur freien Verfügung. In Bocksburg aufwachsen, das war Reichtum genug und mehr, als die meisten Jungen in Burgstadt für sich in Anspruch nehmen konnten. Liebe? Nun ja. Mei ne Stute Rußflocke hatte mich gern, auf ihre eigene, stoische Art. Ich hatte die anhängliche Treue eines Hundes namens Nosy erlebt, und das brachte ihm den Tod. Ein Ter rierwelpe schloss mich so sehr in sein Herz, dass auch er deshalb sterben musste. Mich schaudert bei dem Gedanken daran, was es kostete, mich zu lieben.
    Mein Teil war die Einsamkeit dessen, der in ei ner Atmosphäre von Intrigen und be rückenden Geheimnissen aufwächst, das Außenseitertum eines Jungen, der niemanden hat, dem er sich rückhaltlos anvertrauen kann. Undenkbar, zu Fedwren zu gehen, dem Hofschreiber, der mich für mei ne Schönschrift und meine sorgsam ausgeführten Illustrationen lobte, und ihm zu gestehen, dass ich bereits Lehrling des Königlichen Meuchelmörders war und
deshalb nicht die Laufbahn eines Schreibers einschlagen konnte. Ebenso wenig konnte ich Chade, meinem Lehrer in der Diplomatie des gezückten Messers, anvertrauen, welche grausame Behandlung mir Galen, der Gabenmeister, als seinem Schüler angedeihen ließ. Und mit schon rein gar nie mandem wagte ich über mei ne wachsende Gabe der alten Macht zu spre chen, die verpönte Tiermagie, die als widernatürlich galt, ein Makel für jeden, der davon Gebrauch machte.
    Nicht einmal mit Molly konnte ich darüber sprechen.
    Molly stellte für mich das Kostbarste dar, das es auf der Welt gibt: eine wirk liche Zuflucht. Sie hatte nicht das Mindeste mit meinem Alltagsleben zu tun. Schon dass sie ein Mädchen war, machte sie zu etwas Besonderem. Ich wuchs fast ausschließlich in der Gesellschaft von Männern auf, nicht nur ohne Mutter und Vater, sondern auch ohne jegliche Blutsverwandte, die bereit gewesen wären, sich offen zu mir zu bekennen. Als Kind kam ich in die Obhut von Burrich, dem bärbeißigen Stallmeister, früher meines Vaters rechte Hand. Die Stallburschen und Wachsoldaten waren meine Gefährten. Damals wie heute dienten Frauen in der Garde, wenn auch nicht in gleich gro ßer Zahl. Doch wie ihre männ lichen Kameraden hatten sie ihre Pflichten und außerhalb des Dienstes ein Privatleben und Fa milie. Ich hatte kein Recht auf ihre Zeit. Ich hatte keine Mutter, keine Schwestern oder Tanten. Es gab keine Frauen, von denen ich die besondere Zärtlichkeit erfuhr, die angeblich nur Frauen zu geben vermögen.
    Ich hatte keine Frau in meiner Nähe - außer Molly.
    Sie war nur ein oder zwei Jahre älter als ich und wuchs heran wie ein grüner
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