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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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Zähigkeit. Einmal, ich war noch klein, fragte ich ihn, ob er je einen Kampf verloren hätte. Er hatte gerade einen eigensinnigen jungen Hengst zur Räson gebracht und stand bei ihm in der Box, um ihn zu beruhigen. Auf meine Frage grinste er nur mit ei nem wölfischen Lächeln, während ihm der Schweiß von der Stirn und über die Wangen in den dunklen Bart lief. Er sprach mit mir über die Trennwand des Stalls hinweg. »Einen Kampf verloren? Der Kampf ist nicht eher zu Ende, als bis du ihn gewonnen hast, Fitz. Nur daran musst du denken. Ganz gleich, was der andere Mann glaubt. Oder das Pferd.«
    Aus dieser Erinnerung heraus kam mir der Gedanke, ob er mich vielleicht als ei nen Kampf betrachtete, den er gewinnen musste. Er hatte mir oft erzählt, ich sei der letzte Auftrag Chivalrics an ihn gewesen. Der Makel meiner Existenz war für meinen Vater
Grund genug gewesen, auf den Thron zu verzichten, doch er hatte mich in die Obhut dieses Mannes gegeben und ihm befohlen, mich nach bestem Wissen und Gewissen aufzuziehen. Vielleicht glaubte Burrich, er habe diesen Auftrag noch nicht erfüllt.
    »Was meinst du, was soll ich tun?«, fragte ich demütig. Beides, sowohl die Frage als auch meine Demut, kamen mich hart an.
    »Gesund werden«, sagte er nach einer Weile. »Und dir die Zeit nehmen, um gesund zu werden. Es lässt sich nicht erzwingen.« Er warf einen Blick auf seine Beine, die er zum Feuer hin ausgestreckt hatte, und es legte sich ein Ausdruck über sein Gesicht, das kein Lächeln war.
    »Bist du der Ansicht, wir sollten zurückgehen?«, beharrte ich.
    Statt zu antworten, legte er seine bestiefelten Füße übereinander und starrte in die Flammen. Endlich sagte er, beinahe widerstrebend: »Tun wir es nicht, wird Edel glauben, er habe gesiegt. Und er wird versuchen, Veritas zu ermorden. Oder wenigstens tun, was er glaubt, tun zu müssen, um nach der Krone seines Bruders greifen zu können. Ich habe meinem König Gefolgschaft gelobt, Fitz, du ebenfalls. Noch ist Listenreich dieser König, doch Veritas ist Kronprinz. Ich finde, er sollte nicht die undankbare Arbeit des Thronfolgers tun müssen und um den Lohn betrogen werden.«
    »Er hat fähigere Gefolgsleute als mich.«
    »Bist du deshalb von deinem Eid entbunden?«
    »Du argumentierst wie ein Priester.«
    »Ich argumentiere überhaupt nicht, ich habe dir le diglich eine Frage gestellt. Und stelle dir eine zweite. Was gibst du auf, wenn du Bocksburg hinter dir lässt?«
    Nun war es an mir zu schweigen und zu überlegen. Ich dachte an meinen König und daran, was ich ihm geschworen hatte. Ich dachte an Prinz Veritas und seine gutmütige Herzlichkeit mir gegenüber.
Bocksburg, das war auch Chade und sein stilles Lächeln angesichts meines Begreifens einer neuen Lektion seines Geheimwissens, das wa ren Prinzessin Philia und ihre Zofe Lacey, Fedwren und Hod, sogar die Köchin und Mistress Hurtig, die Schneidermeisterin. Es gab nicht so viele Leute, die mir nahestanden, aber gerade deshalb war jeder Einzelne besonders wichtig. Ich würde sie alle vermissen, falls ich nie wieder nach Bocksburg zurückkehrte. Doch was dann in mir aufloderte wie ein neu geschürtes Feuer, das war die Erinnerung an Molly. Ehe ich mich’s versah, erzählte ich Burrich von ihr, und er nick te nur, während aus mir die ganze Geschichte hervorsprudelte.
    Leider wusste er auch kaum mehr als ich. Die Kerzenzieherei wäre geschlossen worden, als der alte Säufer, dem sie ge hörte, hoch verschuldet starb. Seine Tochter war gezwungen gewesen, zu Verwandten in einen anderen Ort zu ziehen. An welchen Ort, das wusste er nicht, doch er war überzeugt, das ließe sich herausfinden, falls ich es wirklich wollte. »Befrage erst dein Herz, Fitz«, riet er mir. »Hast du ihr nichts zu bieten, lass sie in Ruhe. Bist du denn ein Krüppel? Nur wenn du entschlossen bist, einer zu sein. Aber wenn du dich selbst so siehst, hast du womöglich kein Recht, sie zu suchen. Ich kann mir nicht den ken, dass du ihr Mit leid willst. Mitleid ist nur ein ärmlicher Ersatz für Liebe.« Damit stand er auf und ging und überließ mich meinen Gedanken.
    War ich ein Krüppel? War ich geschlagen, besiegt? Mein Körper war ein einziger Missklang, ein verstimmtes Instrument, doch ich hatte meinen Willen gegen Edel durchgesetzt. Prinz Ve ritas war unbestrittener Thronfolger der Sechs Provinzen und die Bergprinzessin war sei ne Gemahlin geworden. Fürchtete ich wirk lich Edels höhnisches Lächeln, wenn er meine Hände zittern sah?
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