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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
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lieber selber: Ich persönlich hatte ziemlichen Krach mit ihm, weil er unser Elternhaus verkauft hat. Wisst ihr, so was tut man einfach nicht. Das ist charakterlos.« Heiko wiegte den Kopf hin und her. »Nun, in der heutigen Zeit kann man sich derlei Sentimentalitäten oftmals nicht leisten«, gab er dann zu bedenken. Frau Morgner schnaubte verächtlich. »Darum ging es dem nicht. Der hat bloß einen neuen Mercedes gebraucht, das war alles.«
    »Ihr Bruder hat Sie natürlich ausgezahlt?«, vermutete Lisa. Auf dem Gesicht der Morgnerin erschien ein etwas verlegener Ausdruck. »Da ihr auch das rausfinden werdet: Nein, hat er nicht. Er hat mich immer wieder vertröstet. Aber mir war das egal. Ich hab mein kleines Häuschen und die Rente von meinem Mann und damit komme ich ganz gut zurecht.«
    »Nun hat sich aber Ihre Chance, an das Geld zu kommen, deutlich erhöht, nicht?«, warf Lisa ein. Frau Morgner grinste unfroh und entblößte dabei einen Goldzahn hinten links. »Ich war’s nicht. Auch wenn er ein ziemlicher Depp war. Umgebracht habe ich ihn nicht. Immerhin war er mein Bruder.«
    »Wo waren Sie eigentlich gestern Abend?«, fragte Heiko.
    »Ich war beim Landfrauenabend.«
    »Was gab’s denn?«, hakte Lisa nach.
    »Einen Vortrag über Wildkräuter.«

    Irina schrie. Nicht, weil ihr Mann tot war. Sie war selbst überrascht gewesen, wie egal ihr das alles war. Sie hatte diesen Fall in Gedanken durchgespielt, hundertmal, tausendmal. Immer, wenn er zu ihr ins Bett gekommen war. Immer, wenn eine seiner Spinnereien ihr den Tag versaut hatte. Komm nach Deutschland, hatte die Agentur gesagt. Die Männer sind reich. Sie tragen dich auf Händen. Sie hatte kein Problem damit gehabt, dass er alt war. Damit hätte sie leben können. Aber wie er war, damit konnte sie nicht leben. Es war mehr, als sie ertragen konnte. Die russischen Männer waren auch stark. Dominant. Sie tranken zu viel. Walter hatte selten getrunken. Aber er hatte andere Angewohnheiten gehabt, die ein Leben mit ihm zur Hölle machten. Sie hatte sich hundertmal vorgestellt, wie es wäre, einfach in die Küche zu gehen, zum Messerblock, das Fleischmesser herauszunehmen und es ihm in die schmale Brust zu rammen. Voller Genugtuung hatte sie sich ausgemalt, wie ein ungläubiger Ausdruck seinen Blick trüben würde und wie er dann leblos zusammensacken würde. Hundertmal. Aber das war Theorie gewesen. Wie konnte er nur! Jetzt schrie sie, denn das hier war keine Theorie, das hier war die Realität, und der Mörder war schlichtweg durchgeknallt. »Was hast du gemacht?«, brüllte sie ins Telefon, und ihre Stimme überschlug sich. »Was?« Sie wusste, dass ihr Gesprächspartner rauchte. Sie hörte das schmatzende Geräusch, das entstand, wenn man an der Zigarette zog. Das machte sie wütend, nur noch wütender. »Beruhige dich. Ich war’s nicht«, versicherte er.
    »Ich glaube dir nicht.«
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. Nahezu hörbares Schulterzucken. Es war ihm egal. Es war belanglos für ihn. Sie atmete tief aus und legte dann einfach auf.

    Lisa und Heiko hatten den M3 auf dem kleinen Parkplatz abgestellt und liefen auf den Eingang des Goldbacher Freibades zu. Kinderlachen und lautes Geschrei drangen zu ihnen herüber, dazwischen das Geräusch von Körpern, die ins Wasser platschten. »Und, was hältst du von ihr?«, fragte Lisa. Heiko brummte. Dann meinte er: »Ziemlich abgebrüht, wenn du mich fragst! Aber irgendwie – unehrlich fand ich sie nicht.« Lisa stimmte zu. Sie hatte einen ähnlichen Eindruck von der Frau bekommen. Aber das konnte täuschen, und häufig war am Ende der der Mörder, von dem man es am wenigsten erwartet hatte. Sie betraten einen überdachten, zu den Seiten hin offenen Bau, in Italien hätte man eine solche Konstruktion Loggia genannt, in Hohenlohe eher nicht. In einem kleinen Kabuff saß eine Frau, die 1,50 Euro für den Eintritt kassierte. Dann ging sie zusammen mit den Kommissaren ums Eck, um sich wieder ihrer zweiten Rolle als Kioskverkäuferin zu widmen. »Das ist ja süß!«, befand Lisa, als sie einen ersten Blick auf die Szenerie warf. An den Bierbänken und alten Holztischen des überdachten Kiosks hockten Kinder und aßen Pommes, an einem Tisch saßen sogar mehrere ältere Männer und tranken Bier. Sie trugen auch keine Badekleidung, sondern waren ganz normal angezogen, die meisten mit eher hässlichen Stoffbermudas und T-Shirts oder Hemden. Einige Outfits verrieten, dass die betreffenden Herren offenbar Singles
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