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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
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irgendwas gefunden?«, forschte Lisa. Uwe schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber die wenigsten Mörder hinterlassen überhaupt keine Spuren.«
    »Na dann. Der Vorsitzende hat gemeint, das Mordopfer hätte gestern wohl noch die Kasse geprüft. Im Fischerheim.«
    »Okay.« Der Spurensicherer strich sich wieder über die Glatze. »Wir kümmern uns drum.«

    Heiko fluchte leise. Verdammt, so hatte er sich diesen Tag nicht vorgestellt. Es hatte ein schöner Tag werden sollen, mit einem Fest, und jetzt hatten sie eine Leiche. In Asbach. Das war bisher Rekord, denn Asbach bestand wirklich nur aus drei Häusern. Vor einem von ihnen, nämlich vor dem, das dem Fischerheim am nächsten gelegen war, standen Lisa und Heiko nun und warteten darauf, dass ihnen die Tür geöffnet wurde. Genauer gesagt: Sie hatten sich das nächstgelegene Wohnhaus gesucht. Denn das Steinhaus, das ganz aus grauem Granit bestand und ein kunstvolles Relief über dem Türsturz trug, war offenbar nicht mehr bewohnt und diente – wie ein Blick durch das ebenerdige Fenster vom gepflasterten Hof aus verriet – lediglich als Scheune. Sie hatten sich also für das Haus daneben entschieden. Erneut drückte Lisa den Klingelknopf. Aber nichts geschah. Dann, als sie sich gerade zum Gehen gewandt hatten, schwang die altertümliche Holztür mit leichtem Knarren auf. Eine alte Frau stand in der Tür, mit schwarzem Pullover unter einem rosafarbenen Kleiderschurz und mit wachen blauen Augen unter einer korrekt gelegten silberfarbenen Dauerwellenfrisur. »Grüß Gott«, sagte die Frau, und es hörte sich fragend an. »Ja, Grüß Gott, Frau …«, Heiko schielte auf das Klingelschild, »… Sauer. Wir sind von der Polizei.« Ein wachsamer Ausdruck erschien in den alten und sehr hellen Augen. »Is ebbes bassiert?«, fragte die Frau mit sorgenvollem Unterton. Heiko räusperte sich. »Kennen Sie einen Herrn Walter Siegler?« Die Frau dachte kurz nach, drehte sich dann in Richtung der Wohnung um und rief: »Elsbeth! Kumm amol!« In der Tür erschien nahezu sofort eine Endvierzigerin mit einer sehr ähnlichen Frisur, wie die ältere Frau sie trug. »Kennsch du oon, wo Walter Siegler haaßt?«, wiederholte die Alte und warf dabei einen prüfenden Blick zu den Kommissaren, um sich zu vergewissern, dass sie den Namen richtig im Kopf behalten hatte. Durch die offene Dielentür erhaschte Lisa einen Blick auf ein altertümliches Buffet in Eiche rustikal mit Kunstblumen auf der Ablage.
    »Nooh! Wieso? Was issn mit dem?«, wollte nun die jüngere Frau wissen und sah fragend zu Heiko hin.
    »Der wurde gestern Abend umgebracht!«
    »Ja und? Was gätt uns des ou?«
    »Hier!«, präzisierte Heiko. »Er liegt im Wald.«
    »Also noh!«, entfuhr es der Oma, und sie hielt sich mit einem Gestus des Entsetzens die aderdurchzogenen Hände vor den Mund, während die Endvierzigerin sich darauf beschränkte, fassungslos den Kopf zu schütteln.
    »Des kou awwer net sei, do hanna gibt’s sou ebbes net!«
    »So was gibt’s überall, Frau Sauer!«, erläuterte Lisa, die nach anderthalb Jahren in Hohenlohe den Dialekt schon fast perfekt verstand und nahezu mühelos den Gesprächen folgen konnte. Nahezu. Denn immer noch gab es Dinge, die ihr suspekt waren. Einerseits an diesem seltsamen süddeutschen Dialekt, andererseits aber auch an den Menschen selbst.
    »Wor des ooner von denna Angler?«, fragte Elsbeth. Lisa bestätigte und beschrieb den Toten: »1,75 groß, eher schmächtig, graue Haare, Halbglatze.« Sie verstummte, weil sie sich partout nicht an die Augenfarbe des Mordopfers erinnern konnte. Nur daran, dass die Augen weit aufgerissen gewesen waren und dass in ihnen ein Ausdruck nackten Grauens gestanden hatte, den Lisa so schnell nicht vergessen würde, vielleicht sogar niemals.
    »Sou ooner is öfter doghoggt!«, bestätigte die Frau.
    »Gestern auch?«
    »Waaß ii doch net. Moona Sie, ii hobb nix anders zum doona, wie da ganza Dooch nach denna Spinnada z’glotza?« Lisa blinzelte. Das war nun doch zu schnell gegangen.
    »Wieso Spinnerte?«, fragte Heiko.
    »Haja, bei manchana könnt mer ja grood moona, die müssda a Grooßfamilie mit ihrana Fisch ernähra!« Heiko grinste. »Ihnen ist also nichts aufgefallen«, resümierte er. Beide Damen schüttelten gleichzeitig ihre sehr ähnlichen Köpfe, die sich im Wesentlichen nur durch das Alter voneinander unterschieden. »Na dann.« Heiko zückte seine Visitenkarte. »Wenn Ihnen was einfällt, rufen Sie mich jederzeit an, gell?«
    Lisa
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