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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Autoren: Fabio Genovesi
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kurble. Ich spüre eine wahnsinnige Kraft, ein enormes Gewicht, die Rute biegt sich voll durch und zieht mich mit.
    »Komm her, hilf mir!«
    Mirko packt mit an, und wir ziehen gemeinsam. Ich versuche die Rutenspitze oben zu halten und reguliere die Bremse, um etwas Schnur freizugeben. Aber diese Vorkehrungen für den Drill eines großes Fisches sind bei diesem gewaltigen Brocken sinnlos. Es ist fast, als würde man sich am Tag des Weltuntergangs einen Helm aufsetzen. Das hier ist ein Schnellzug, ein Lkw, und die einzige Technik, die hilft, ist Zähne zusammenbeißen und ziehen.
    »Was soll ich machen, Signore, was soll ich machen!«
    »Zieh, Mirko, zieh, so fest du kannst!«
    Das Wasser teilt sich, aber wir sehen nichts, nur einen riesigen Schatten und zwei Wellen, die gegen die Böschung schwappen, das Wasser des Kanals schäumt auf, ein Strudel entsteht, der einen gewaltigen Sog entwickelt.
    Und dann macht es knack , die Rute zerbricht wie ein Zahnstocher, und die Schnur reißt, und vielleicht brechen wir uns auch ein paar Knochen, als wir jetzt rückwärts auf dem harten Boden landen.
    Wir sind außer Atem, ein Stück der Rute halten wir immer noch in den Händen. Wir schauen uns an, wir schauen aufs Wasser, dann wieder auf uns.
    Diesmal haben nicht mal die Frösche den Mut weiterzuquaken.

BIS ER NICHT MEHR ZU SEHEN IST
    Das Taxi fährt vor und hupt zweimal, aber du hast es schon vom Fenster aus gesehen. Du nimmst deine Koffer und gehst runter. Zwar hattest du mit Raffaella ausgemacht, dass sie dich zum Flughafen fährt, aber dann hast du doch ein Taxi gerufen.
    Es war nicht böse gemeint, du wolltest dir einfach nur noch mal in Ruhe das Dorf anschauen, einen letzten Blick drauf werfen und deinen Gedanken nachhängen, ohne Raffaellas Schluchzer und Tränen.
    Zwei Gepäckstücke im Kofferraum, eine leichte Tasche auf dem Schoß, dazu den »Corriere della Sera« und den »Tirreno«, die du dir gekauft hast, du weißt auch nicht, warum.
    »Sie interessieren sich für Nachrichten, was?«, meint die Taxifahrerin und deutet auf die Zeitungen. Ein Mann wäre dir lieber gewesen, ein älterer Mann, der sein Leben lang nichts anderes gemacht hat als Taxi fahren und die Schnauze voll hat, keinen Ton sagt und nur darauf wartet, dass seine Schicht zu Ende geht.
    Jetzt will die Taxifahrerin wissen, was du denn Schönes vorhast und ob es in Deutschland jetzt auch kalt ist. Berlin kennt sie nicht, aber sie war in München, wo ihre Verwandten ein Fliesengeschäft haben. Sie empfiehlt dir einen Besuch in München, weil es eine schöne Stadt ist, wo man gut isst, wenn auch längst nicht so gut wie bei uns, im Land der guten Küche. Uns Italienern mit den Spaghetti und der Pizza macht es so schnell keiner nach, unsere Küche ist weltbekannt, und bestimmt gibt es auch in Berlin ein italienisches Restaurant, und wenn man schon mal da ist, kann man ja mal hingehen, oder? Wie lange du bleibst, und was du dort machst.
    »Ich geh zu einer Beerdigung«, sagst du. Ein Geniestreich.
    »Oh, tut mir leid, das tut mir wirklich sehr leid.«
    »Keine Ursache, vielen Dank, so was passiert eben, leider.« Du machst ein trauriges Gesicht und schüttelst den Kopf, erleichtert, denn jetzt hast du bis Pisa deine Ruhe und kannst ungestört Muglione betrachten, das in der schwülen Hitze langsam an dir vorbeizieht und dir sanft über die Augen streicht.
    Die Hauptstraße, die Kanäle, die Jugendinfo. Das Büro ist wegen Urlaub geschlossen, und wenn es wieder offen ist, wird jemand anderer im Dunkeln sitzen, einsam und allein. Du denkst ganz kurz an den Massagesessel. Ob der Vertreter irgendwann vorbeikommen wird, um ihn abzuholen? Oder hat er sein fabelhaftes Produkt und diesen Ort am Ende der Welt, wo er es versehentlich hat stehen lassen, längst vergessen? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht, sicher ist nur, dass du es nie erfahren wirst.
    So wenig wie die Lösung jenes Rätsels der Nachricht in deinem Blog: Tiziana, schön, dich im Nez zu lesen . Wer hat sie dir eigentlich geschickt? Luca? Nick, Pavels Freund? Ein Analphabet, der sich auf die Seite verirrt hat? Du wirst es nie erfahren, aber das spielt keine Rolle, weil du jetzt gehst und all das aufhört zu existieren, wahrscheinlich.
    Die Hauptstraße ist fast leer. Es ist August, und wer kann, fährt ans Meer oder in die Berge oder sonst wohin, nur weg von hier und dem fauligen Kanalgeruch. Du hast das Taxi viel zu früh bestellt, denn man weiß ja nie, ob nicht etwas Unvorhergesehenes
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