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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Autoren: Fabio Genovesi
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Fiorenzos Handreichungen entschieden, ein geschmackloser Titel, ich weiß, aber was soll man machen. Ich stelle einfache, aber effiziente Angelmontagen vor, erkläre, wie man an einem Tümpel vor der eigenen Haustür aufregende Abenteuer erleben kann, wie man Ratten- und Zeckenbisse überlebt und Ähnliches mehr.
    Auch jetzt gerade bin ich wieder angeln, am Kanal, klar, und ich glaube, ich möchte nirgendwo anders sein.
    Auch weil jetzt gleich Silvia kommt. Wir sind zwar nicht direkt verabredet, aber irgendwie doch. Sie ist seit fast einem Monat wieder in Muglione und kommt jeden Tag um dieselbe Zeit mit Diletta hierher.
    Diletta ist vier Jahre alt, spricht Mailänder Dialekt und nennt mich Fioretto wie ihre Mama, als wir Kinder waren. Bis zu jenem Sommer in der Achten und bis zu jenem Nachmittag, an dem wir hier am Kanal Schere-Stein-Papier spielten, um zu entscheiden, wer die Bombe wirft, und ich gewonnen und kurz danach meine Hand verloren habe.
    Ich glaube, das ist das Leben: ein Strom von Dingen, die alle an dir vorbeiziehen. Manches erwischst du, manches verlierst du, von manchem merkst du gar nicht, dass es schon vorbeigetrieben ist, und vielleicht wäre gerade das für dich das Richtige gewesen. Aber du kannst es nicht wissen, und du denkst auch gar nicht so viel darüber nach, denn du bist noch mitten in diesem Fluss, und die Dinge kommen, ziehen vorbei und verschwinden.
    Aber vielleicht ist das Leben gar kein Fluss, sondern ein Kanal, und dann sieht die Sache schon anders aus. Denn ein Fluss fließt und mündet ins Meer, ein Kanal dagegen führt nirgendwohin. Er bleibt schnurgerade, ohne ein Ziel, und kann höchstens hoffen, andere Kanäle zu schneiden und sich eine Zeit lang mit ihnen zu vermischen. Und wenn dieses ganze ständig ineinanderfließende Wasser irgendeinen Sinn hat, so erschließt er sich mir nicht. Ich weiß nur, dass ich gern hier bin, vor allem wenn ich einen Köder ins Wasser werfen und angeln kann.
    Und seit einem Monat bin ich noch viel lieber hier. Wenn ich einen Fisch fange, macht Diletta Luftsprünge, läuft zu mir und streichelt dem Fisch behutsam über den Kopf, wischt sich den Finger an ihrem T-Shirt sauber und sagt Diesmal hast du Glück, kleiner Fisch, aber nächstes Mal pass bitte besser auf . Dann nickt sie mir zu, und ich lasse ihn wieder ins trübe Wasser. Der Fisch schlägt einmal mit dem Schwanz und taucht sofort unter.
    Gestern war das Mädchen nicht dabei, Silvia ist allein gekommen und mindestens eine Stunde geblieben, und wir haben über alles Mögliche geredet. Ihre Haare sind noch genauso schwarz wie damals, aber glatter, und sie reichen ihr nur noch bis knapp auf die Schultern. Und sie raucht. Nach einem Monat hat sie zum ersten Mal nicht die ganze Zeit über gestanden, sondern sich irgendwann neben mich gesetzt, ganz nah neben mich, die Augen zusammengekniffen wegen der Sonne und geredet.
    Sie sagt, anfangs hat sie zu Hause die Fenster sperrangelweit aufgerissen, Tag und Nacht, um diesen entsetzlichen Schimmelgeruch rauszukriegen, bis sie kapiert hat, dass nicht das Haus so riecht, sondern Muglione.
    Ich habe tief Luft geholt und ihr gesagt, dass dieser Ort hier viel zu hässlich ist für ein so hübsches Mädchen wie sie. Und sie hat erst nach einer ganzen Weile wieder was gesagt: Für so ein Scheißkaff ist es herrlich ruhig hier . Wir haben gelacht, dann geschwiegen. Auf meinem Arm, der die Angelrute hielt, spürte ich ihre Hand. Es gibt Dinge, die sind richtig und müssen einfach passieren, weil sie so schön sind, auch wenn sie am Ende dann doch nicht passieren. Aber das macht nichts, vielleicht passieren sie morgen oder übermorgen oder irgendwann, wenn’s ihnen in den Kram passt.
    Und bis dahin lächle ich und fixiere den Schwimmer, der im Wasser liegt, flach und reglos, aber ich habe so eine Ahnung, dass es nicht lange so bleiben wird. Ich hole die Schnur ein, überprüfe den Köder, einen schönen dicken, saftigen Wurm, der wohl recht zufrieden damit ist, im Schlick am Grund eines Kanals an einem Haken zu hängen. Ich lasse ihn wieder ins Wasser, genau da, wo ich ihn haben will.
    Denn beim Angeln ist der Köder das Wichtigste. Du kannst nicht einfach dasitzen und warten, wenn du nichts am Haken hast. Irgendetwas musst du einsetzen, sonst hat es keinen Sinn zu spielen.
    Und es stimmt auch nicht, dass nie was passiert.
    Schau dir nur mal dieses Dorf hier an. Ein Nest, ja, ein ödes Nest. Und trotzdem kam eines Tages eine schöne Frau aus Deutschland hierher
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