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Firkin 04 - Hundstage

Firkin 04 - Hundstage

Titel: Firkin 04 - Hundstage
Autoren: Andrew Harman
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blickte in schuldbewußter, vom Gold verursachter Benommenheit auf, nahm die Karte in die Hand und drehte sie um. Während er sie betrachtete, schimmerten die Linien auf der Oberfläche und entzündeten sich plötzlich in einem Magnesiumblitz, der den Lageplan in seine Netzhaut einbrannte, an sein Kurzzeitgedächtnis weiterreichte und die Karte in ein Häuflein Asche verwandelte.
    Einen Drachen? Mancini krümmte sich und blinzelte. Noch nie in der kurzen Geschichte der Kunst-Umwelt-Technik hatte jemand einen PET-Drachen zusammenmontiert. Der Leguan blinkte an und aus. Ein vollständiger Drache!
    Er schluckte nervös. Drachen waren auch nichts anderes als Echsen – nur viel größer.
    Nicht wahr?
    Ach! Und wenn schon! dachte er, als er den Beutel auf den Boden entleerte und sich fieberhaft ans Zählen machte.
     
    Auf einer Zehe der Ausläufer der Kholan-Höhen, fünfzehnhundert Fuß unter dem Gipfel des Berges Kützelmütz schwebte ein Ruch in der warmen Nachmittagssonne eines Frühlingstages. Er summte, hallte wider und spukte kurz über dem Blöken einer kleinen Herde grauweißer Ziegen, dann verschwand er in einem höhergelegenen Tal, um sich zu den anderen zu gesellen.
    »Das Gebimmel!« brüllte eine einsam zuckende Gestalt. »Das Gebimmel! Es macht mich verrückt!« Ein kleiner Junge, der mit etwas bekleidet war, das mehreren Säcken ähnelte, die unordentlich um ihn herumhingen, musterte vorwurfsvoll die Ziegenherde und warf einen Stein auf das Tier mit der gesprungenen Glocke, die unaufhörlich an seinen Nerven kratzte. Ein wiederholt in eine alte Blechbüchse tauchender Käfer hätte einen melodischeren Klang erzeugt.
    »Steht doch mal still!« brüllte er. »Wie soll ich euch zählen, wenn ihr ständig um die Felsen hüpft? Wenn ihr euch noch einmal bewegt, endet ihr als Schaschlik!« Zum fünfhundertsten Mal an diesem Morgen ballte der bayufarische Ziegenhirte Pepperl die Hände zu Fäusten, fletschte die Zähne, stieß einen Fluch aus und fing wieder an zu zählen. Und zum fünfhundertsten Mal an diesem Tag wünschte er sich, nie Ziegenhirte geworden zu sein. Besonders nicht in Zeiten wie diesen.
    Er sprang über das Geröllfeld, packte eine Ziege am Hals, sah in ihre blöden Augen und brüllte: »Wo ist die alte Git? Los, sag’s! Wo ist die alte Git jetzt schon wieder?«
    Die Ziege erwiderte den Blick mit einem gelangweilten Ausdruck tiefsten Unverständnisses, und ihre gelben Zähne mahlten ungerührt weiter. Pepperl stieß das Vieh wütend zur Seite und rannte, diverse Mißhandlungsformen im Sinn, um einen Felsvorsprung herum.
    Pepperl, so muß gerechterweise gesagt werden, empfand bei seiner Tätigkeit keinen hohen Grad an Befriedigung. Er sehnte den Tag herbei, an dem er frohgemut allen blökenden Ziegenstämmen mit zwei Fingern zuwinken würde, um mit seiner Zeit etwas Lohnenderes anzufangen. Zum Beispiel den ganzen Tag in der Sonne liegen, saufen und Ziegenkäse essen.
    Er umrundete den Felsen, blickte zum Vorsprung hinauf und war den Tränen nahe.
    »Nein! Nicht da oben! Nicht da!« schrie er, aber im Inneren wußte er, daß die etwa hundert Fuß über ihm liegende winzige schwarze Öffnung die Stelle sein mußte. Eins hatte er in seiner Zeit als Ziegenhirte gelernt: Man durfte nie einen Ort als zu unzugänglich oder zu abgelegen abtun, wenn es galt, eine entlaufene Ziege zu finden. Wenn sich irgendwo auch nur die geringste Hoffnung auf etwas Eßbares auftat, waren die Ziegen weg wie der Blitz. Welch unerklärliche Eigenschaft der Ziegenexistenz sie immer wieder veranlaßte, senkrechte Felswände hinaufzuklettern oder für eine halbe Handvoll Heidekraut über nur zollbreite Simse zu rennen, entzog sich gänzlich Pepperls Verständnis. Die Erfahrung hatte ihm die unermeßliche Dummheit gezeigt, die allen Ziegen innewohnte.
    Die alte Git war bestimmt in der Höhle dort. Da oben!
    Pepperl der Ziegenhirte gelobte, das blökende Vieh den hundert Fuß hohen Vorsprung hinabzustoßen, dann spuckte er in die Hände, stieß einen Schwall von Verwünschungen aus, die die Ohren eines Geistlichen zum Klingen gebracht hätten, und machte sich an den Aufstieg.
     
    Obwohl sich das landumschlossene Reich Murrha an seiner schmalsten Stelle über achttausend Ellen der Wüste Ghuppi erstreckte, gab es einen Punkt, der nie weit entfernt war: die Spitze der glänzenden Klinge des Lieblingskatana der Kaiserin Tau. Ein Ausrutscher, der kleinste Fauxpas, nur eine sekundenlange Gunsteinbuße, und man konnte seinen Kopf
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