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Firkin 04 - Hundstage

Firkin 04 - Hundstage

Titel: Firkin 04 - Hundstage
Autoren: Andrew Harman
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und verschwand dann hinter der westlichen Wand der eine halbe Meile tiefen Rinne.
    Früher war Venasht ein blühender Ort gewesen. Er hatte von den vorbeiziehenden Fuhrleuten gelebt, die hier ihre Rösser gefüttert und getränkt hatten, bevor sie das Tal wieder verließen. Doch seit der Einführung der zugstarken Nashorn-Sextette und der Erfindung des Mampfunterwegs-Freßbeutels mit langsamer Nahrungszufuhr konnten Fuhrwerke das Talpa-Gebirge ohne Rast überqueren. Und das taten sie auch – indem sie in einer wilden, ihnen immer mehr Schwung verleihenden Sturzfahrt knallhart durch das Tal donnerten, unaufhaltsam durch Venasht dröhnten und sich an der gegenüberliegenden Seite hinaufhangelten.
    Aber es gelang ihnen nicht immer. Manchmal erreichte ein Fuhrwerk nicht die nötige Fluchtgeschwindigkeit. Dann kam ein halbes Dutzend ausgebüchster Wagen mit großem Gepolter zum Anhalten, indem es sich in die Seite eines Gebäudes bettete. Vor einigen Jahren war dergleichen mehr als einmal im Monat geschehen. Tonnen von Bauschutt hatten regelmäßig das teilweise wieder aufgebaute Herrschaftshaus der Baroneß Eglantine dem Erdboden gleichgemacht. Warum genau irgend jemand Interesse daran hatte, Bauschutt übers Talpa-Gebirge zu befördern und wieso immer nur das Herrschaftshaus der Baroneß dem Ritual der Zerstörung anheimfiel, waren zwei große unbeantwortete Fragen. Zum Glück waren es für die Baroneß Fragen, die zu stellen die fünfundfünfzig verschiedenen Gesellschaften, bei denen sie versichert war, sich scheuten. Mit der daraus resultierenden finanziellen Regelung bestritt sie ihren Lebensunterhalt und erkaufte sich das fortwährende Schweigen eines gewissen engen Freundes, der zufällig auf Bauschutttransporte spezialisiert war.
    Zum gegenwärtigen Zeitpunkt war Schweigen freilich das letzte, was ein gewisser Alchimist im Sinn hatte. Cheiro Mancini schlug den Kopf gegen den Boden seiner Hütte und stieß einen Schwall der übelsten Flüche aus. Was nahm er für Rücksicht auf seine Kunden! Dabei gab es doch so vieles, das er gestern über Projektierte empathische Systematik hätte sagen können – und sagen sollen.
    »Euer Hausleguan ist tot, lang lebe Euer PET-Leguan. Ja, Baroneß Eglantine, eine naturgetreue, thaumisch verstärkte Kopie Eures liebsten Gesellschafters mit all seinen liebenswerten Eigenschaften. Sehet mit Schaudern, daß es ebenso wie das echte Geschöpf Fliegen fängt! Spendet ihm Beifall, wenn es all die Kunststücke vorführt, die Ihr kennt und so liebt. Ebenso liebevoll wie das Original, und doppelt so leicht zu halten. Ein kurzes Abstauben und eine neue Kartoffel pro Monat genügt! So wird Euer PET für immer in neuwertigem Zustand bleiben.«
    Mußte dieses dämliche Weib unbedingt versuchen, das blöde Ding zu umarmen? Na ja, eines Tages würden die Viecher auch Masse haben.
    Draußen raste ein Wagen ins Tal; seine Handbremse qualmte, als der Fuhrmann die Geschwindigkeit drosselte.
    »Wer möchte da noch KUT sein?« stöhnte Mancini. Kunst-Umwelt-Techniker zu sein ist ein undankbarer Job, dachte er trübsinnig. Warum wollten die Leute einfach nicht begreifen, daß es, wenn die Eingeweide eines Leguans über die ganze Fahrbahn der Könige verstreut waren, keinen anderen Weg gab, als einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, um ihn wieder zusammenzusetzen? Die Leute müßten ihm eigentlich dankbar sein. Na schön, das projizierte Bild eines geliebten Tiers war zwar nicht so gut wie das echte undankbare Geschöpf bei blühender Gesundheit, aber immerhin wirkt es auf dem Kaminsims nicht übel. Einige seiner besten Arbeiten waren reptilischer Natur. Welch eine Art, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten!
    Lebensunterhalt? Es ist zum Lachen, dachte Mancini düster. Existenzminimum, kurz vor dem Verhungern, das traf die Sache wohl besser. Sein finanzieller Magen knurrte, als er im Geiste die fünf Kröten abschrieb, die er für eine umfangreiche Leguanreparatur in Rechnung gestellt hätte.
    Mit dem Quietschen stahlbeschlagener Räder und dem Geruch brennender Bremsbeläge kam die Kutsche zum Stillstand, und eine stämmige Gestalt sprang heraus.
    Mancini betrachtete unglücklich das Namensschild des eben erst plattgefahrenen Gürteltiers. »Na, dann mal los, Alter«, sagte er zu dem Haufen gepanzerter Gliedmaßen. »Es ist Zeit für ein neues Leben als Kaminsimsschmuck.«
    Er krempelte die weiten Ärmel des Umhangs hoch, warf sein drahtiges Haar zurück, riß das Skalpell aus dem Türrahmen und
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