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Firkin 02 - Die Frösche des Krieges

Firkin 02 - Die Frösche des Krieges

Titel: Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
Autoren: Andrew Harman
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›davor‹ und ›danach‹. Waren es zunächst noch Kleinigkeiten wie etwa die Menge der Bartstoppeln auf dem Kinn eines Soldaten oder die Schärfe seines Schwerts, so kam es schon bald zu bedeutsameren Veränderungen, die zum Beispiel die tatsächliche örtliche Position von Personen betrafen oder die Höhe des Unkrauts, das auf dem Talboden wuchs. Völlig entgeistert sah Hogshead, wie eine große Distel, die die anrückende Armee niedergetrampelt hatte, plötzlich von dem dunkelgrauen Schleier umgeben war, wie geheimnisvoll summende Partikelchen sie verhüllten und wie sie noch im selben Augenblick wiederhergestellt war und in ihrer ehemaligen stacheligen Pracht vor ihm stand. Der schimmernde Rand des immer größer werdenden Kugelgebildes war über sie hinweggezogen, die Wolke der Zeitfliegen, die aus dem Zentrum ausschwärmten und nebelhaft verwischt, mit flirrenden Flügelschlag an ihr vorbeigeschwirrt waren, hatte sie wieder instand gesetzt.
    Hogshead schrie auf. Plötzlich hatte er verstanden, was hier geschah: Sie hatten gesiegt! Sie hatten ihr Ziel erreicht! Sie waren Zeugen, sahen mit eigenen Augen, wie die Zeit sich selbst korrigierte und neu gestaltete, wie sie Intervalle und Perioden umänderte, wie sie die Zukunft festsetzte und die Fehler kommender Epochen ausmerzte. Sie beobachteten diese Vorgänge von einer Gegenwart aus, in der die Cranachier gewonnen hatten. Doch hinter den flatternden Flügeln der Zeitfliegen, jenseits der summenden Wand, die wie ein hitzeflirrender bleigrauer Dunstwall heranzog, lag eine andere Gegenwart. Eine Gegenwart, in der die Armee von Isolon Sieger war, eine Gegenwart, die sie geschaffen hatten, eine Gegenwart, die sich jetzt vor ihren ehrfürchtig staunenden Augen entfaltete. Durch den schimmernden Wall des Ereignishorizonts sahen sie, wie Gegenstände neu angeordnet, von den Zeitfliegen verschoben und dort plaziert wurden, wo sie, entsprechend des in dieser Gegenwart geltenden Gesetzes von Ursache und Wirkung, jetzt sein mußten. Die Unvermeidlichkeit setzte ihre Korrekturinstrumente an und löschte Kontinuitätsabweichungen, redigierte, änderte ab, berichtigte und stieg dabei unaufhaltsam vom Talboden auf, kam über die Berghänge immer näher auf sie zu.
    Und plötzlich schoß Hogshead, so unerwartet wie eine nackte Singularität, verstörend wie ein ›Blitzer‹, der über den großen kosmischen Laufsteg paradiert – plötzlich schoß Hogshead ein entsetzlicher Gedanke durch den Kopf: Im Umkreis von fünfhundert Kilometern gab es vermutlich keine schwerwiegendere Kontinuitätsabweichung als ihn selbst und seine Freunde! Er, Courgette, Firkin und Dawn: Sie alle waren eine Zeitanomalie, die unweigerlich revidiert werden würde – die revidiert, reguliert und removiert werden mußte.
    Was würde mit ihnen geschehen, wenn sie der äußere Rand dieser durchscheinenden wimmelnden Wand erreichte? Wo würden sie dann sein?
    Nur wenige Minuten noch, dann sollte er es wissen.
     
    Praxx rappelte sich aus dem Schutt hoch und rieb sich den Hals. Noch immer rieselten Steine und Steintrümmer von der ehemaligen Türöffnung herab, Staubwolken hingen in der Luft, und Staub steckte ihm auch in der Kehle. Er wollte schlucken, würgte und hustete heftig. Infolge des Explosionslärms hörte er sein eigenes Husten kaum, gespenstisch dumpf drang es durch das marternde, dröhnende Geräusch, das ihm in den Ohren klang wie das wütende Gesumm einer Hornisse, die sich in die Pfeife einer Kirchenorgel verirrt hat.
    Ansonsten war in der Kammer kaum etwas zu hören. Nur weit entfernt das gereizte Brummen des … Was war das? Hörte er tatsächlich etwas? Oder waren es nur seine Ohren? Hinter ihm schwappte das Wasser schlammig dumpf gegen den Teichrand. Wo kam dieses Geräusch her? Er sah sich suchend um … Sah sich wieder um – zu spät! Er hätte schwören können, daß er eben etwas gesehen hatte. Etwas, das wie ein schimmerndes Band ausgesehen hatte, wie dunkelgraue Insekten, die über die Wasserfläche geflitzt und durch die Rückwand der Kammer verschwunden waren. Dann hörte er ein Stöhnen, es kam aus einem Schutthaufen, der links von ihm lag. Er tappte auf ihn zu und versuchte herauszufinden, was eigentlich geschehen war. Die Explosion, erinnerte er sich, der cranachische Trupp, Drohungen, Angst …
    Geistesabwesend grub er in dem Trümmerhaufen herum – Apathos kam darunter zum Vorschein, hustend und stotternd.
    Wo waren die Angreifer geblieben?
    Die Stille war beinahe genauso
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