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Firkin 02 - Die Frösche des Krieges

Firkin 02 - Die Frösche des Krieges

Titel: Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
Autoren: Andrew Harman
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Kammer. Und zwar jetzt, sofort!
    Als sich der Staub legte, brüllte Schikaneder zwei, drei Befehle. Daraufhin lief ein drahtiges Männlein zur Tür, kniete nieder, rückte seine Mütze zurecht, kramte in seinem Tornister und holte dann langsam etwas heraus, das wie eine Handvoll rotbrauner Lehm aussah. Das Männchen knetete die Masse und preßte sie sorgfältig in Form. Mit äußerster Vorsicht bewegte es dabei die Hände, sehr sacht, sehr behutsam und immer nur ganz, ganz langsam. Dann brach es ein Stück von dem Lehmklumpen ab und drückte es in den Spalt zwischen Türblatt und Türrahmen. Dann noch eines und wieder eines, so lange, bis die ganze Tür rundum mit Lehmklümpchen verfugt war. Daraufhin stöberte es ein weiteres Mal in seinem Tornister, zog eine Drahtspule heraus und schnitt mehrere lange Stücke davon ab. Diese Drahtstücke steckte es vorsichtig, aber fest in die Lehmklumpen und legte die freien Enden um eine Ecke neben der Tür. Dort holte es aus einem anderen Tornister ein Kästchen, schloß die Drähte an die Anschlußklemmen an, zog den Kolben hoch und erklärte, daß es jetzt bereit sei, die Lehmbombe zu zünden.
    Für die fünf in der Kammer war die plötzlich eingetretene Stille beinahe schlimmer als der ohrenbetäubende, markerschütternde Radau. In der Stille konnte man denken. Und wenn man dachte, konnte man Angst bekommen. Hinter ihnen lauerten die todbringenden Kampfamphibien, die über kurz oder lang Futter brauchen würden. Und vor ihnen lauerten die Cranachier. Sie saßen in der Falle. Wie sie es auch drehten und wendeten, es lief immer auf das gleiche hinaus: Die letzten beißen die Frösche …
    Praxx zerbrach sich den Kopf, um eine Lösung zu finden.
    »Vier …«
    Der cranachische Trupp zog sich von der Tür zurück.
    »Drei …«
    War es das? grübelte Praxx. Sollten sie tatsächlich ihr Ziel erreichen?
    »Zwei …«
    Die Vorstellung, daß sie möglicherweise verloren hatten, erfüllte ihn mit panischer Angst.
    »Eins …«
    Das Ende des Countdown, das Ende der Zukunft. Die Zeit war endgültig abgelaufen …
    Lhunty, der Sprengmeister, drückte den Kolben nach unten.
    Der Druck stieg sprunghaft an. Praxx glaubte, ihm platze das Trommelfell. Erst dann traf ihn der Schall. Zwei Pfund Lehmsprengstoff detonierten in einem geschlossenen Raum. Ein donnernder, tumultuarisch röhrender Lärm brach los, raste durch die Kammer, schien jeden von ihnen unerbittlich beim Kopf zu packen und ihm unerträglich laut ins Ohr zu brüllen. Die Stahltür flog aus dem Rahmen, wirbelte durch die Luft, krachte an die hintere Wand, prallte wieder ab und landete mit einem gewaltigen Platschen im Wasser. Wie Granatsplitter platzten Steinbrocken aus den berstenden Wänden und hagelten auf alles herab, was ihnen im Weg stand. Dann erstickten sie beinahe in einer dichten Wolke aus Mörtel- und Gipsstaub, die sich wie ein Teppich aus grauem Rauhreif auf alles legte und den Lärm dämpfte.
    Praxx hustete sich die Lunge aus dem Leib, schnappte nach Luft und spähte durch den Wolkenwirbel. Ein riesiges Loch klaffte in der Wand, beinahe wie für sie gemacht. Sie überlegten keine Sekunde lang.
    Die Kammer lag unter einer Trümmerschicht, nichts regte sich mehr …
     
    Den Kindern, die immer noch die Vorgänge im Tal beobachteten, fiel plötzlich auf, daß dort unten irgend etwas vor sich ging, etwas, das genau in der Mitte der cranachischen Armee seinen Anfang nahm. Diese Stelle erschien mit einem Mal undeutlich und verschwommen – es sah aus, als wäre ein Wassertropfen auf ein Aquarell gefallen. Oder anders: Es sah aus, als spannten Millionen winziger Wesen die Muskeln ihrer Zeitbeinchen an, flatterten mit ihren Zeitflügeln, um von diesem Punkt im Zentrum der Menschenmenge abzuheben und davonzufliegen. Eine neblig-dunkelgraue Wolke breitete sich aus, flirrte und summte und stieg auf – wie ein kugelförmiger Dschinn aus dem winzigen Schnabel einer unsichtbaren Lampe, an der eine ebenso unsichtbare Hand gerieben hatte. Aber was hier aufstieg, breitete sich in vier Dimensionen aus, es erstreckte sich von einem Zeitpunkt, der in unmittelbarer Nähe des augenblicklichen ›Jetzt‹ lag, bis an den fernen fahlen Horizont der endlosen Zukunft. Rund um das Epizentrum geschah nur wenig. Doch als die Kugel größer wurde, als sie mehr und mehr Volumen gewann und in sich einschloß, nahm man im summenden Dunst Unterschiede wahr, Divergenzen zwischen ›drinnen‹ und ›draußen‹, Änderungen in der Abfolge von
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