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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz
Autoren: Ravensburger
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und mit einem Geräusch wie beim Ausklopfen eines großen Teppichs fing der nasse Vorhang Feuer.
    Die Flammen breiteten sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus. Sie züngelten die Wände hoch und über die Balken der vergoldeten Decke. Die Vögel und die anderen Tiere in den Käfigen begannen sich gegen die Stäbe zu werfen, zu zischen und zu kreischen. Doch Mathias sah sie genauso wenig, wie er das Brüllen des Feuers hörte, denn ihm war plötzlich etwas viel Schrecklicheres aufgefallen.
    Es gab keine zweite Tür.
    Der Raum füllte sich mit beißendem Rauch. Ein Wandbehang fing Feuer und brannte wie Zunder. Eine ganze Reihe mit Spiritus gefüllter Gläser fiel auf den Boden und zerschellte, als das Regal, auf dem die Gläser gestanden hatten, zu brennen begann. Mathias spürte, wie in der sengenden Hitze Blasen auf seiner Haut entstanden.
    Aber es gab nur eine Tür, und zwar jene, durch die sie hereingekommen waren, und die konnten sie nicht mehr erreichen, da das Feuer ihnen den Weg versperrte. Mit einem lauten Knall zerbarst eines der großen Fenster und das Feuer schoss gierig hinauf und hinaus.
    Es musste noch irgendwo einen Ausgang geben, versteckt wie die in Hällers getäfeltem Büro. Sie begannen an den Wandregalen zu zerren und Bücher herauszuziehen. Aber sie blieben erfolglos.
    Und dann fanden sie ein Schließblech, wo keines hätte sein müssen. Sie entdeckten eine Fuge in der Wand. König zog an dem Schloss, schlug kraftlos mit dem Pistolenkolben darauf, doch es tat sich nichts. Da trat er einen Schritt zurück, legte den Lauf ans Schloss und drückte ab. Metallsplitter schwirrten an ihren Ohren vorbei, als das Schloss barst. Hustend und keuchend zogen sie daran und stolperten durch die Tür in den dahinterliegenden Raum.
    Es war eine Halle mit Galerie und Treppen an beiden Enden. Die Luft ringsum füllte sich mit Qualm. Mitten im Donnern des Feuers hörten sie Männer rufen. Mathias blickte sich unsicher um. Was jetzt?
    »Nach oben«, zischte König. Er biss die Zähne zusammen; sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Nach oben«, wiederholte er.
    Zusammen stolperten sie auf die nächste Treppe zu. Sie waren gerade oben angelangt, als unter ihnen Männer in die Halle strömten, doch nicht einer blickte auf. Sie hatten nur Augen für das Feuer. Sie zogen ihre Mäntel und Jacken aus und versuchten damit die Flammen zu ersticken, sie brüllten nach Wasser und Eimern. Doch der Boden unter ihren Füßen brannte bereits.
    Mathias wartete nicht ab, was passieren würde. Er ging die Galerie entlang und zog König hinter sich her, wusste aber nicht, wohin er da lief. Wieder läutete eine Glocke, lauter als die erste, voller. Der Geruch von Rauch und Verbranntem lag schwer in der Luft. Stimmen waren zu hören, Schreie. Als sie um eine Ecke bogen, liefen Menschen an ihnen vorbei, doch niemand hielt sie an. Mathias hatte keine Ahnung, wo genau sie sich befanden. Für ihn glich das Haus einem Labyrinth. König konnte nicht mehr weiter. Er sank auf die Knie und schloss die Augen.
    Er kniete vor einem hohen Fenster, das auf eine Terrasse ging. Von hier aus konnte Mathias sehen, wie weit sich das Feuer schon ausgebreitet hatte. Gewaltige Flammen schlugen aus dem Palastdach. Dicke Rauchwolken stiegen auf. Unten im Hof liefen die Leute hin und her, doch das Feuer zu bekämpfen war nicht möglich. Das Wasser in den Trögen und Brunnen war gefroren.
    »Komm!« Mathias zog König am Mantel. »Steh auf!« Er versuchte ihn hochzuziehen, schaffte es aber nicht. »Steh auf!«
    »Ich glaube nicht, dass er das schafft«, sagte eine Stimme hinter ihm. Mathias brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da gesprochen hatte.
    Häller stand am Ende des Flurs, den Gehstock mit dem silbernen Knauf in der Hand. Aber er war nicht allein. Eine junge Frau in einem schlichten Kleid stand neben ihm. Ihr Gesicht war kalt und hart.
    König hielt immer noch die leer geschossene Pistole in der Hand. Mathias nahm sie ihm weg.
    »Ich erschieße euch!«, drohte er.
    »Wirklich?«, sagte Häller und kam auf ihn zu.
    »Bleibt stehen!« Die Pistole war schwer und unhandlich. Mathias spannte den Hahn und richtete sie auf Hällers Brust. Er betete, dass etwas passieren möge, doch als er abdrückte, fiel der Hahn lediglich mit einem hohlen Klicken herunter; er hatte gewusst, dass es so kommen würde.
    Amüsiert wandte Häller sich an die Frau. »Wir haben sie gefunden, Herzogin«, sagte er. »Würdet Ihr jetzt gerne ein Spiel spielen?«
    Sie
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