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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz
Autoren: Ravensburger
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einem hellen Baumwollkleid. Häller schob Katta vorwärts und schloss die Tür. Mit einem Klicken fiel sie hinter ihr ins Schloss.
    Der Spielzeugmacher drehte sich zu Katta um und sah sie an. »Gib dem Mädchen etwas zu trinken, Häller«, sagte er.
    Ohne Eile füllte Häller ein Glas mit einer Flüssigkeit aus einem Krug, der auf dem Tisch stand. Es dauerte einen Augenblick und er wandte Katta den Rücken dabei zu. Dann drehte er sich um und hielt ihr das Glas hin. Sie sah erst das Glas an, dann ihn.
    »Es ist nur Wasser«, sagte er. »Trink.«
    Sie nahm das Glas in beide Hände, so wie man ein kleines Kind seine Arznei nehmen lässt, hob es an die Lippen und trank, wobei sie Häller die ganze Zeit beobachtete. Ihre Hände zitterten, aber ihr Mund war so trocken. Er nahm ihr das leere Glas ab.
    »Jetzt komm und schau dir das an«, forderte der Spielzeugmacher sie auf.
    Er stand neben der jungen Frau und strich ihr sacht übers Haar.
    Katta trat nähe r – und blieb gleich wieder stehen. Schlafende Menschen atmen; sie bewegen sic h – man muss nur genau genug hinschauen, dann sieht man es. Doch die junge Frau auf dem Tisch atmete nicht. Tot war sie auch nich t – Tote sahen tot aus, so wie Jakob, aber sie wirkte ganz anders.
    Katta sah zu dem Mann auf; sie wusste nicht, was von ihr erwartet wurde.
    »Berühre sie«, sagte er.
    Zögernd hob sie die Hand und berührte mit den Fingerspitzen die Wange der jungen Frau. Auf Kattas Gesicht spiegelte sich Verwirrung und sie zog die Hand wieder weg, denn die Haut war hart und kalt. Die Frau war gar keine Frau.
    Sie war eine Puppe.
    »Alles, was sie braucht, ist ein Herz, Mädchen. Wenn sie ein Herz hat, würdest selbst du sie für lebendig halten. Sie wird tanzen und reden können, auch wenn sie nicht viele Worte wird machen müssen. Ihre Schönheit wird für sich sprechen.«
    Katta betrachtete das Gesicht der jungen Frau und es schien ihr, als erblickte sie etwas, was sie schon einmal gesehen hatt e – das harte, kalte Gesicht des Herzogs, als er unter ihrem Fenster vorbeigegangen war. Die Puppe war genau wie er.
    »Die Leute erwarten von ihrem Herzog, dass er sich eine Frau nimmt«, sagte der Spielzeugmacher. Während er sprach, nahm er eine kleine, hübsch gearbeitete Elfenbeinkurbel vom Tisch. Soweit Katta es beurteilen konnte, war nichts Besonderes daran.
    »Alles, was sie braucht«, wiederholte er, »ist ein Herz.«
    Katta hörte seine Stimme. Es schien ihr zwar, dass er die winzige Kurbel in der Hand hielt, doch der Raum war plötzlich größer, als er eben noch gewesen war. Es war, als beobachtete sie, was geschah, ohne selbst ein Teil davon zu sein. Sie drehte sich um und sah Häller an. Er hielt immer noch das leere Glas in der Hand, aber er beobachtete sie, als hätte er genau auf diesen Moment gewartet. Er stellte das Glas auf den Tisch, und sie wusste, dass nicht nur Wasser darin gewesen sein konnte. Als ihre Beine einknickten, fing er sie auf und hielt sie, während sie langsam zu Boden glitt.
    Die Stimme des Spielzeugmachers drang wie aus tausend Meilen Entfernung durch einen dichten Nebel an ihr Ohr: »Sogar meine kleinen Puppen mit Sperlingsherzen erinnern sich ab und zu, dass sie einmal Sperlinge waren. Du wirst es mir sagen müssen, Herzogin, falls du dich je daran erinnerst, dass du einmal ein Mädchen warst.«
    Als sie über das Eis zurückkehrten, markierte eine Spur blutiger Stiefelabdrücke den Weg, den König zurückgelegt hatte. Er ging langsam und presste die Faust fest gegen die Wunde, die Walters Messer geschlagen hatte, aber sie blutete immer noch. Keiner sagte etwas. Mathias beobachtete König, erwartete, dass er jeden Augenblick zusammenbrach, was aber nicht passierte. Er ging immer weiter, setzte einen Fuß vor den anderen, den Blick aufs ferne Ufer gerichtet, als gäbe es für ihn nichts anderes.
    Stefan hielt sich auf der anderen Seite neben ihm. Immer wieder warf er Mathias einen kurzen Blick zu. Er wusste nicht, ob dieser ihn schon im Verdacht hatte, Katta im Stich gelassen zu haben. Während der ganzen Zeit, in der sie auf der Insel nach ihr gesucht hatten, hatte Stefan seine Tat verheimlicht, weil er nicht wusste, was er tun sollte, wenn er sie als Erster fand. Auch jetzt noch war er ratlo s – König verblutete, und er hatte keine Ahnung, wie er ihm helfen sollte.
    Noch lief König weiter, Schritt für Schritt, die Faust gegen die Wunde gedrückt, die Augen unverwandt auf das ferne Ufer gerichtet.
    Mathias hatte nicht wirklich
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