Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen
Autoren: Laurell K. Hamilton
Vom Netzwerk:
sich zu vergnügen. Ein Polizist war tot, vielleicht zwei, aber ihm war gerade genug Zeit geblieben, um sie zu töten. Er hatte sie nicht mehr zerfetzen können. Ich fragte mich, ob ihn das wütend machte. Fühlte er sich betrogen?
    Im Flur kamen und gingen Beamte, aber aus der offenen Wohnungstür war nur leises Gemurmel zu hören, sorgenvolles, wütendes, drängendes, verwirrtes Gemurmel.
    Die Wohnung war sauber und unberührt. Dort hatte kein Kampf stattgefunden. Der ganze Ärger hatte im Flur begonnen und geendet.
    Detective Webster war mit heraufgekommen. Er stand noch in der Tür, denn drinnen war kein Platz mehr. Jedes Morddezernat hat mehr Beamte, als man glaubt, aber ich hatte noch nie solch eine Menge gesehen. Die Leute standen Schulter an Schulter wie auf einer Party, nur dass jedes Gesicht verbissen, schockiert oder zornig war. Niemand amüsierte sich hier.
    Zerbrowski hatte mich unterwegs auf dem Handy angerufen. Jeder wollte von ihm etwas wissen, vor allem über die Monster, wozu er gar nichts sagen konnte, weil er sich mit der Scheiße nicht auskannte. Das waren seine Worte, nicht meine.
    Ich überlegte, ob ich nach Zerbrowski rufen oder ihn übers Handy suchen sollte. Normalerweise macht es mir nichts aus, dass ich klein bin, aber diesmal konnte ich nicht durch die Menschenmenge blicken, und über die Köpfe hinwegsehen konnte ich erst recht nicht.
    Ich schaute Webster an. Er war über eins achtzig groß. »Sehen Sie Sergeant Zerbrowski?«
    Webster wirkte plötzlich noch größer. Ich begriff, dass er ständig gebückt ging, auf diese elegante Art, die manche großen Menschen haben, wenn sie zu Beginn der Pubertät aufgeschossen sind und ihnen die neue Körpergröße nicht gefallen hat. Als er mit gestrafften Schultern und erhobenem Kinn dastand und über die Menge spähte, war er fast eins neunzig. Da hatte ich mich ganz schön verschätzt.
    »Er ist am anderen Ende.« Dann schien er zu schrumpfen, und die Schultern fielen herab. Fast war es, als würde seine Wirbelsäule vor meinen Augen gestaucht.
    Ich schüttelte den Kopf. »Können Sie ihn herwinken?«
    Er sah mich schalkhaft an, und das war ein Gesichtsausdruck, den ich durch Zerbrowski und Jason fürchten gelernt hatte. »Sie können sich auf meine Schultern setzen, dann sieht er Sie.«
    Ich bedachte ihn mit einem Blick, der sein Grinsen auf ein Lächeln reduzierte. Er zuckte die Achseln. »Tut mir leid.« Die Sorte Entschuldigung kannte ich, es war die, die ich immer von Jason bekomme, wenn es ihm überhaupt nicht leidtut.
    Entweder hatte Zerbrowski stärkere mediale Kräfte, als ich dachte, oder er versuchte dem Mann zu entkommen, der auf ihn einredete, einem von der Mobile Reserve in schwarzem Kampfanzug mit Panzerweste. Helm und Maske fehlten, aber er hatte diese wilden, weit aufgerissenen Augen wie ein Pferd, das gleich durchgehen wird.
    Zerbrowski entdeckte mich, und der Ausdruck der Erleichterung in seinem Gesicht war so rein, er wirkte so glücklich, dass es mir beinahe Angst einflößte. »Officer Elsworthy, das ist Anita Blake, Marshal Anita Blake. Sie ist unsere Expertin für übernatürliche Verbrechen.«
    Elsworthy runzelte die Stirn und blinzelte ein klein wenig zu schnell. Fast war es, als bräuchten die Worte länger als normal, um zu ihm durchzudringen und einen Sinn zu ergeben. Ich hatte selbst oft genug unter Schock gestanden und kannte die Symptome. Wieso war er nicht mit dem Rest seines Trupps im Krankenhaus?
    Zerbrowski hauchte mir ein »Tut mir leid« zu.
    Elsworthy sah mich mit flackerndem Blick an. Seine braunen Augen machten nicht den Eindruck, als könnten sie noch scharfstellen, vielmehr, als sähe er etwas, das in seinem Kopf vorging. Scheiße. Eben hatte er noch Zerbrowski angebrüllt, und jetzt starrte er Dinge an, die wir nicht sehen konnten. Vermutlich durchlebte er das Desaster gerade noch einmal. Er war blass, und auf seinem Gesicht stand ein leichter Tau aus Schweißperlen. Jede Wette, dass er sich klamm anfühlte.
    Ich neigte mich dicht an Zerbrowski und fragte leise: »Warum ist er nicht mit den anderen im Krankenhaus?«
    »Er wollte nicht. Er wollte unbedingt das RPIT fragen, wie einem Werwolf Krallen wachsen können, wenn er noch menschliche Gestalt hat.«
    Ich musste eine unwillkürliche Reaktion gezeigt haben, denn Zerbrowski musterte mich plötzlich über den Rand seiner Brillengläser hinweg. »Ich habe ihm gesagt, dass ein Gestaltwandler unmöglich Krallen bekommen kann, solange er in Menschengestalt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher