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Finns Welt - 02 - Finn reloaded

Finns Welt - 02 - Finn reloaded

Titel: Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Autoren: Oliver Uschmann
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die Pfahlreihe. »Flo! Schmeiß die Stoppuhr in deinem Telefon an.«
    »Mach das nicht«, sagt Flo. »Das ist kein Steg bei Tomb Raider oder Uncharted. Du brichst dir alle Knochen.«
    »Bist du meine Mutter?«, frage ich und zeige auf sein Handy. »Komm, wirf an.«
    Flo seufzt und tippt auf den Tasten herum. Ich mache mich bereit. Bevor es losgehen kann, höre ich eine Stimme wie Gänseschnattern.
    »Stopp! Stopp! Stopp!«, ruft Frau Kobol. Wenig FE-MININITY, viel Palaver. Sie hat die Arme hoch erhoben und wedelt mit ihnen herum. Gleichzeitig knickt sie ihre Hände nach unten ab und deutet mit beiden Zeigefingern auf die maroden Holzpfähle. »Das gibt es schon mal gar nicht!«
    Als sie bei uns ankommt, ist sie außer Atem. Luft pumpt durch ihre Hamsterbäckchen. Sie japst und sagt: »Beim Pfahllaufen haben wir schon mal beinahe einen Schüler verloren. 2008. Der Junge war wochenlang im Krankenhaus. Ist mit dem Bauch aufgeprallt. Die Wucht war so doll, dass der Pfahl ihn fast aufgespießt hätte, obwohl er stumpf ist.«
    Dustin rollt mit den Augen.
    »Das ist vier Jahre her und die Pfähle stehen hier immer noch? Warum ziehen sie sie nicht einfach raus, wenn es so gefährlich ist?«, frage ich.
    Frau Kobol antwortet: »Weil wir von unseren Schülern erwarten, dass sie selber denken können, mein lieber Finn.«
    Ich sehe Frau Kobol ruhig in die Augen und mache eine Pause, bevor ich spreche. Das ist immer gut. Wenn die Leute etwas warten müssen, nehmen sie dich viel ernster. Ich weiß schon ganz genau, was ich sagen will. »Frau Kobol. Wir sind dreizehn. Alles, was wir nicht machen sollen, wollen wir unbedingt machen. Das ist unsere Natur!« Ich sage es so, als wäre ich der Lehrer und Frau Kobol etwas schwer von Begriff. Ihre Augen weiten sich. Ich gehe zu den Pfählen und zeichne in der Luft die Ränder eines unsichtbaren Schildes nach. »Sie wollen nicht, dass wir hier Pfahllaufen machen? Dann müssen Sie ein großes Schild aufstellen, auf dem steht ›Hier bitte unbedingt Pfahllaufen machen!‹«
    Dustin muss lachen, aber er unterdrückt es. Es kommt nur ein Zischen aus seiner Nase.
    Ich mache weiter: »Wenn Sie nicht wollen, dass wir hier Pfahllaufen, dann müssen Sie Pfahllaufen als Unterricht anbieten. Dann muss es Hausaufgaben in Pfahllaufen geben. Sie müssen sagen: ›Kinder, denkt dran: Putzt eure Zähne, esst viel Brokkoli und geht jeden Tag Pfahllaufen!‹«
    Frau Kobol sieht mich immer noch ganz ruhig an, aber ihr rechtes Augenlid zittert. Es sieht lustig aus. Als würden Hunderte winzig kleiner Arbeiter versuchen, einen Vorhang aus Haut zuzuziehen. »Bleib ruhig so vorlaut«, sagt sie und geht. »Du wirst schon sehen, wohin das führt.«
    Als sie weg ist, klatscht Dustin langsam in die Hände.
    Patsch.
    Patsch.
    Patsch.
    »Super«, sagt er, spuckt aber ins Gebüsch. »Nur schade, dass keine Kamera dabei war, oder? Herr Filmstar? Soll ich eine holen? Du kannst den Text doch bestimmt auswendig.« Dustin trottet davon und lacht wieder so, dass die Getränkedosen in seinem Hals scheppern.
    »Du hast bloß 2 von 10 bei MIND!«, ruft Lukas ihm hinterher, aber Dustin versteht ihn nicht.
    »Wir brauchen wieder eine echte Quest«, sage ich.
     
    Im Sportunterricht gehen wir in das kleine Stadion, in dem Lukas am Wochenende mit seinem Verein die Fußballspiele austrägt. 5000-Meter-Lauf auf der roten Tartanbahn rund um das Spielfeld. Herr Broich steht nicht herum, sondern läuft die Runde selber mit. Das macht nicht jeder Sportlehrer, aber als ehemaligem Fußballprofi fällt es ihm leicht. Er schwitzt. Er ist gut gebräunt, schlank, auf jeden Fall über 1,82 Meter und ziemlich gepflegt. Unter seinen Nägeln findet sich kein Dreck und seine schwarzen Haare sind halblang und leicht lockig, wie bei einem britischen Rocksänger. Ich frage mich, ob er ein Mann für Flos Mutter wäre. Nach dem Lauf stehen Lukas und ich am Rand, trinken Wasser und hängen uns Handtücher in den Nacken. Ein paar Betonstufen bilden auf dieser Seite des Platzes die Tribüne. Auf dem Wall dahinter lässt der warme Wind die Weidenbüsche wanken. Herr Broich joggt neben denen her, die immer noch an der letzten Runde arbeiten, während der Rest der Klasse schon längst im Ziel ist: Flo, der niemals ein echter Sportler sein wird, und Alina, die keine Luft mehr kriegt, weil sie auf den ersten Runden ihre Freundinnen vollgequatscht hat. Als die beiden unter den Anfeuerungsrufen Herrn Broichs endlich ins Ziel kommen, trabt er aus und nimmt sich
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