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Finns Welt - 01 - Finn released

Finns Welt - 01 - Finn released

Titel: Finns Welt - 01 - Finn released
Autoren: Oliver Uschmann
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Hinterhältigste, was jemals erfunden wurde: Geräteturnen. Ringe, Böcke, Barren, Reck. Er steht gut gelaunt vor diesen doofen Folterinstrumenten und strahlt, als hätte er uns Weihnachtsgeschenke mitgebracht.
    »An diesem Tag«, sagt er, »schafft jeder von euch endlich den Felgaufschwung ohne Hilfestellung.«
    »Ja, sicher …«, mault Dustin und verdreht die Augen. Die Mädchen unterhalten sich, als hätten sie gar keine Meinung. Also eigentlich plaudert Alina und die anderen hören zu und warten ab, bis sie auch mal kurz die Möglichkeit haben, was zu sagen. Im Grunde ist es wie im Internet: Alina ist der Blog und die anderen dürfen Kommentare abgeben.
    Flo sagt: »Ich bin hier nicht im Feld. Im Feld bin ich heute Nachmittag wieder. Da läuft ein Raid mit fünfunddreißig Leuten, den darf ich nicht verpassen. Ich bin Unteranführer und sollte sich der Raidführer ausloggen, geht das Kommando auf mich über.«
    Lukas haut ihm auf den Hinterkopf. Er hat auch keine Lust aufs Turnen, aber er duldet keinen Widerspruch bei einem Mann, der gegen Ronaldo gespielt hat. »Das heißt nicht Feld aufschwung, das heißt Felgaufschwung, mit ›g‹, von Felge wie Fahrrad.«
    »Ganz richtig, Lukas«, sagt Herr Broich, »dann mach mal vor.« Lukas geht an den Stufenbarren. Er fasst die obere der beiden Stangen mit den Händen und legt auf die untere seine Füße auf. Eigentlich heißen diese Stangen Holme, hat Herr Broich letzte Woche gesagt, aber ich finde, es passt nicht. Also bleiben sie für mich Stangen. Lukas stößt sich von der unteren ab. Bis zur Mitte sieht’s noch gut aus, aber der Schwung reicht nicht ganz für einen eleganten Rückwärtssalto und Lukas knallt mit dem Bauch auf die Stange, bevor er komplett rum ist und wieder auf den Füßen steht. Lukas verzieht das Gesicht.
    »Wie würde man beim Fußball sagen, Lukas?«, fragt Herr Broich. »Im Prinzip schon ganz ordentlich, aber doch knapp am Tor vorbei.«
    Flo kichert.
    »Florian!«, ruft Herr Broich. »Wer kichert, muss als Nächster ran.« Lukas trottet davon und presst ein Grinsen durch die Schmerzen in seinem Gesicht.
    Was nun mit Flo an der Stange passiert, das spottet jeder Beschreibung. Eigentlich dürfte ich es nicht erzählen, denn Flo ist ein Freund und Freunde haut man nicht in die Pfanne. Aber andererseits sieht es zu geil aus, um es zu verschweigen. Was wir alle – Herr Broich, Lukas, ich, Dustin, Alina und die Mädchen – zu sehen bekommen, ist dies: Flo wuchtet seinen kleinen Computerkörper mit Schmackes von der unteren Stange nach oben. Er steckt alle Kraft, die er hat, in den Aufschwung, aber es reicht nur für die Hälfte des Wegs. Dann bleibt er hängen, kopfüber, den Bauch auf der Stange. Der Oberkörper mit den Armen hängt auf der einen und der Unterkörper mit den Beinen auf der anderen Seite herunter. Da geht nix mehr, nicht vor und nicht zurück. Wie ein alter Lappen auf der Leine. Herr Broich hat so was wohl auch noch nicht gesehen, denn er muss erst mal überlegen, ob er eingreifen soll oder ob es doch noch irgendwann von alleine weitergeht. Flo aber hängt einfach da und macht jetzt komische Geräusche. Ein Stöhnen, ein Jammern, ein Pfeifen. Ruft er um Hilfe? Feuert er sich selber für das große Finale an? Die Ersten fangen an zu feixen.
    »Wenn keiner etwas unternimmt«, flüstert Lukas, »hängt er noch bis Weihnachten da.«
    Ich verschränke die Arme vor der Brust, lehne mich etwas zurück und nicke, den Blick auf die Stange mit dem hängenden Flo gerichtet.
    »Draußen fängt es an zu schneien«, sagt Lukas, »der Weihnachtsmarkt wird aufgebaut. Die Menschen nageln Lichterketten in den Giebel.«
    »Hör jetzt auf«, sage ich, aber das Lachen steigt in mir hoch, »du bist gemein.«
    Flo macht Geräusche wie ein Hirsch während der Brunft. Ob Herr Broich jemals eingreifen wird? Ob er ernsthaft glaubt, das wird noch was? Gut, er hat Fußball gespielt, da sagen die Trainer des Tabellenletzten mit fünfzehn Punkten Rückstand auch immer: »Rein rechnerisch ist noch alles möglich.«
    Wir beobachten noch eine Weile, wie Flo am Barren hängt. Es hat was. Sogar Alina hat aufgehört zu plappern.
    »Stell dir vor, er muss irgendwann kacken«, flüstert Lukas in mein Ohr.
    Ich kann nicht anders, jetzt pruste ich los und weil ich deswegen ein schlechtes Gewissen habe, sage ich: »Herr Broich, machen Sie ihn los!«
    Herr Broich geht hin und wuchtet Flo auf die andere Seite. Er plumpst auf die Matte wie ein Sack Kartoffeln, bleibt noch
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