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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst!
Autoren: Bernd Gieseking
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Gras, im Schatten eines Baumes. Herrlich! Urlaub.
    Wir fahren weiter, und Ilse rückt vorsichtshalber »dän Emmer torechte«. Hermann lehnt am Korb. Finnland kommt näher. Und scheinbar werden damit auch ein paar Sorgen größer. Jedenfalls bei Hermann.
    »Ob das alles gutgeht?«
    »Was soll denn schiefgehen?«
    »Na, wie soll das denn klappen mit dem Reden? Die sprechen kein Deutsch, wir sprechen kein Finnisch.«
    »Hättest du eben Finnisch lernen müssen«, meint Ilse pragmatisch.
    Axel und Viivi würden schon übersetzen, sage ich.
    Wir fassen auf den nächsten 200  Kilometern alles zusammen, was wir von Finnland und unseren Finnen wissen. Viivi, Mitte  20 , hat Modedesign studiert. Ihre Familie lebt in Lahti, einer kleinen Stadt etwa 100  Kilometer nördlich von Helsinki. Ihre Eltern heißen Kati und Matti. Sie hatten in Lahti zwei Läden gehabt, einen kleineren Jeans-Laden und einen mit Mode überwiegend für junge Frauen und Mädchen. Kati und Matti waren vor einigen Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Der älteste Sohn, Toni, hatte erst beide Läden übernommen, und seit Viivi im Frühjahr ihr Studium abgeschlossen hat, führt sie den Jeans-Laden. Matti und Kati leben mittlerweile überwiegend im
mökki
. Das ist das vielzitierte »Haus am See«, von dem in Deutschland Peter Fox nur singt, das aber in Finnland eigentlich jeder Finne besitzt. Meist mit Seezugang und Steg. In ihrer Stadtwohnung in Lahti sind die beiden mittlerweile eher selten anzutreffen.
    Die Winter verbringen Kati und Matti inzwischen in einer kleinen Mietwohnung an der Costa Brava in Spanien. Dort, hatte Axel erzählt, steht auch ihre Harley-Davidson. Mit anderen finnischen Freunden kurven sie die Küste entlang und nennen sich »Costal Riders«. Als Motorradfahrer finde ich das beeindruckend. Aber noch schöner als das Motorrad, das absolute Sahnehäubchen, musste dieses
mökki
sein, wie Axel erzählte.
    Geplant ist, dass wir zuerst Axel und Viivi in Lahti besuchen und während dieser Zeit bei »Schwiegerelterns« in deren Stadtwohnung leben. Und am nächsten Wochenende werden wir dann alle zu denen ins
mökki
fahren.
    »Wo sollen wir da denn schlafen?«, fragt Herman nervös.
    »Ich denke, du hast als Zimmermann schon sonst wo übernachtet? Wenn da kein Platz wäre, hätten sie es uns nicht angeboten«, sage ich. »Die wollen eben mal sehen, welcher Familie sie ihre Tochter anvertrauen.«
    »Kann man auch verstehen«, sagt Hermann. »Aber ich esse da nichts, was mir nicht schmeckt!«
    »Ist noch nicht da und denkt schon wieder ans Essen«, grinst Ilse.
    Wir warten in Stockholm auf die Fähre. Ich denke mir im Stillen, dass Gefahren vielleicht geringer werden, wenn man über sie spricht. Hermann scheint meine Gedanken gehört zu haben. »Hoffentlich regnet es nicht dauernd«, sagt er.
    »Weitere Sorgen?«, frage ich.
    »Die Mücken.«
    »Ich hab doch Spray dabei.«
    »Ja«, meint Hermann grinsend, »aber ob die Mücken in Finnland auf dein deutsches Spray überhaupt reagieren? In Schweden jedenfalls hat es so gut wie nichts genutzt.« Er kratzt sich wieder. Die Mücken hatten ihm quasi das Sternbild des »Großen Wagens« auf den Oberarm gestochen.
     
    Auf der Fähre beziehen wir unsere gemeinsame Kabine, vier Schlafplätze, ich oben, die beiden mal wieder in den Etagenbetten unten. Ich klettere die Leiter hoch.
    »Fällst du auch nicht runter?«, fragt Hermann nur scheinbar besorgt.
    Wir sehen aus einem riesigen Bullauge die schwedische Schärenlandschaft vorbeigleiten. Felsgruppen, kleine Inseln, manche karg, andere bewachsen mit Büschen und Bäumen. Und an fast allen führt ein kleiner Steg vom Land ins Wasser. Wenn in den schwedischen oder finnischen Schären oder Seen ein Fels die Größe eines Autostellplatzes nur leicht überschreitet, dann bauen der Schwede oder der Finne sofort ein Haus drauf und eine Toilette daneben. Fast alle dieser kleinsten, kleinen und großen Schäreninseln sind bewohnt. Wenn man vorüberfährt, ist das ein ungewohnt romantischer Anblick. Hier könnten Romane geschrieben werden. Aber was ist mit Schulpflicht? Nachbarschaftlichen Treffen? Wie weit liegt der nächste Supermarkt entfernt? Ein Wunder, dass es zwischen diesen sommersprossig ins Wasser gesprenkelten Felsen eine Fahrrinne für eine ausgewachsene Autofähre gibt.
    Ich liege gedankenversunken in meiner Koje. Meine Eltern richten sich ein. Unter mir quasi. Eine weitere gemeinsame Übernachtung mit meinen Eltern. Ganz dicht
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