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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst!
Autoren: Bernd Gieseking
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stecken kleine Tomaten, Bananen und Äpfel. Es gibt Thermoskannen mit koffeinfreiem Kaffee (Eltern) und normalem (Sohn), Wasser und Apfelsaft. Und – Nudelsalat. Wenn es irgendwas gibt, was in seiner Wirkung für Axel und mich alle anderen Drogen überstrahlt, sogar Haribo Goldbären, dann ist das Ilses Nudelsalat. Den wollen Hermann und ich uns aufheben.
    »Den gibt es frühestens in Dänemark«, sage ich mit vollen Backen.
    Ich stehe an der geöffneten Heckklappe und futtere. Meine Mutter trinkt Kaffee. Sie schaut missbilligend auf meinen Bauch und sagt kopfschüttelnd: »Kerl, dien Lief.« Kerl, dein Leib. Der Ostwestfale braucht nur wenige Worte, mit denen er aber oft sehr viel meint. Wirklich sauber übersetzt heißen diese drei Worte: »Sohn, du bist viel zu dick! Viel, viel zu dick! Kerl, was hast du für einen Bauch!« Dann nimmt sie einen Schluck Kaffee, sieht auf die Unmenge an Schnitten und ostwestfälischen »Tapas« und sagt fast schon etwas streng zu mir: »Ett no watt!!« Iss noch was!
     
    Um Viertel vor drei erreichen wir den Fährhafen in Puttgarden auf Fehmarn. Die Fahrzeuge warten in mehreren Reihen. Wir werden als letztes Auto an Bord gewunken. Wir fahren durch Dänemark, an Kopenhagen vorbei. Wir erreichen die Fähre in Helsingör und setzen über nach Helsingborg, Schweden. Nun also weiter Richtung Stockholm, wo wir morgen Abend die Nachtfähre nach Finnland gebucht haben. Mittlerweile ist es etwa 20  Uhr. Ich muss ein Wigwam bauen für meine alten Herrschaften, ihnen ein Lagerfeuer entzünden und sie sicher durch die Nacht bringen.
    Konfusion, der große ostwestfälische Weise, sagt: »Jede Reise beginnt damit, dass du dein Haus verlässt.« Nun muss ich eines für uns drei finden. Ich überlasse mich dem Prinzip Zufall und der Intuition. Ich fahre von der Europastraße  4 ab und überquere einen Fluss mit Namen Lagan und komme an das
Vandrarhem Kylhultsgarden
in Strömsnäsbruk. Romantisch gelegen auf einer leicht ansteigenden Wiese, mit altem Baumbestand, umringt von schnuckeligen Holzhäusern. Unter mächtigen Eichen stehen Holzbänke und ein Tisch. Ein regelrechter kleiner Park inmitten von Herbergsgebäuden.
    »Ist ja ganz schön hier«, sagt meine Mutter.
    Eine Jugend- und Wandererherberge, mit Zimmern mit Doppelstockbetten und Gemeinschaftsräumen, funktional und nüchtern, aber von der Veranda mit einer wirklich pittoresken Aussicht auf den unten liegenden Fluss. Kann ich meinen Eltern das zumuten?
    »Ich könnte ein Viererzimmer nehmen«, sage ich, »dann schlaft ihr beide unten. Ist ja nur für eine Nacht.«
    »Wenn du wüsstest, wo ich schon alles übernachtet habe«, murmelt mein Vater, der als Zimmermann auf Wanderschaft gewesen war. »Kein Problem für mich. Absolut nicht.«
    Ich sage vorsichtig: »Wir müssen Bettwäsche leihen!«
    Ilses Kopf ruckt herum. Meine Mutter sieht mich nur an. Sie sagt kein Wort, aber ihre Blicke sprechen Bände.
    Ich sage: »Ja, is klar!«
    Mein Vater eilt mir zur Hilfe: »Was machen wir denn mit Abendbrot?«
    »Ich dachte, ich hol Pizza. Dann setzen wir uns unter den Baum. Und machen einen Wein auf. Ist doch total schön hier. Oder?«
    »Okay. Bis gleich.«
    Dann fahre ich los. In diesem Moment brummt mein Handy. Mein Bruder. Er schickt eine SMS aus dem noch fernen Finnland: »Gib mal Zwischenbericht. Was machen deine Nerven?«
    Ich antworte: »Sind in Schweden. Alles besser als erwartet. Hole grade Pizza.«
    Prompt kommt seine Antwort: »Hermann isst Pizza???«
    Ich kehre zurück an unseren heimischen Herd, pardon, Tisch, stellte die Kartons ab, hole eine Flasche Wein aus dem Wagen (natürlich reise ich immer mit Korkenzieher), Ilse bringt die Plastikbecher, nicht ganz stilecht für den Syrah, aber das tut dem Geschmack und der romantischen Stimmung keinen Abbruch. Eher schon die Mücken, die sich augenblicklich auf uns stürzen. Ich hatte Mückenspray besorgt. Es wirkt nur begrenzt. Wir stoßen an. Mein Vater kaut. Vorsichtig.
    »Ganz gut«, sagt er dann.
    »Axel hat geschrieben und hat sich gewundert, dass du Pizza isst, Hermann.«
    »Hab ich auch noch nie.«
    »Was?« Mir fällt fast das Essen aus dem Mund.
    »Ich auch nicht«, ergänzt Ilse.
    »Und trotzdem überlebt bis heute«, sagt Hermann und nimmt noch ein Stück.
    Langsam setzt die Dämmerung ein.
    »Dass das immer noch hell ist«, wundert sich Ilse.
    »Ich geh noch mal runter zum Fluss, kommt ihr mit?«
    »Nee, ich lege mich hin«, sagt Hermann.
    »Ich möchte mir wohl noch die Beine
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