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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst!
Autoren: Bernd Gieseking
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sich außerdem alle Skandinavienkarten des ADAC , Europa-Karten, Notizzettel, Spielkarten, Kreuzworträtsel, Knobelbecher, Würfel und Sudoku-Hefte. Meine Eltern sind auf alles vorbereitet. Wir könnten mit dieser Wagenladung auch auswandern.
    Eine Tasche steht offen. Ich sehe Bettwäsche. Wieso Bettwäsche?
    »Ilse, was soll das denn?«
    »Das ist Bettwäsche.«
    »Wofür? Was willst du mit Bettwäsche in Finnland?«, frage ich. »Wir sind doch bei Viivis Eltern zu Gast.«
    Wir werden die Stadtwohnung von Viivis Eltern, also den Schwiegereltern meines Bruders, in Lahti bewohnen. Wir sind eingeladen. Von Juni bis September ist die Wohnung fast ungenutzt, denn die Eltern selber wohnen den gesamten Sommer über in ihrem Ferienhaus 50  Kilometer nördlich der Stadt. Wir sollen sie auch dort besuchen kommen. Meine Mutter hatte für beide Wohnungen für jeweils drei Leute die Bettwäsche eingepackt: Laken, Bettbezug, Kopfkissenbezug, in Summe sechs Laken, sechs Bettbezüge und acht Kopfkissenbezüge. Zwei Bezüge extra für zwei eigene Kissen, die auch noch ins Auto müssen, weil meine Mutter immer »hoch« schläft, eigentlich fast im Sitzen.
    »Ilse. Die haben doch Bettwäsche für uns.«
    Sie sieht mich an. Dann platzt es aus ihr heraus, laut, vorwurfsvoll und pragmatisch zugleich. »Wir können doch nicht deren Bettwäsche benutzen!«
    Meine Eltern sind wunderbare Gastgeber, aber miserable Gäste.
    »Ilse, du kannst doch nicht deine Bezüge auf deren Betten ziehen. Wie sieht das denn aus?«
    »Worümme datt woll nich?« Warum denn nicht?
    »Mama! Wenn zu dir Besuch kommt, bringt der auch nicht seine eigenen Laken mit und zieht die auf deine Betten. Was würdest du denn dazu sagen?«
    Treffer! Versenkt? Nein! Sie schaut mies gelaunt zur Seite. »Das kann man doch nicht einfach annehmen von denen! Die haben doch so schon genug Arbeit mit uns.«
    »Mutter, du machst doch hier auch alles für deine Gäste. Außerdem freuen die sich. Und das kann man ruhig annehmen.«
    Kurze Pause. Dann: »Das ist was anderes.«
    »Die glauben doch, du denkst, die kriegen ihre Wäsche nicht sauber.«
    »So? Das denken die dann?«
    »Ja, das denken die.«
    Sie schweigt.
    »In mein Auto kommt das nicht!«
    »Ich kann auch mit meinem fahren«, sagt sie.
    »Ilse, bitte!« Sie lässt mich zappeln.
    »Na gut. Dann eben nicht.« Resigniert stellt sie die Bettwäsche zur Seite.
    Ich bringe die ersten Taschen zum Wagen. Zu den aufgezählten Expeditionswaren kommen von mir noch eine Sporttasche (sehr optimistisch), die Büchertasche mit Laptop (unbedingt nötig), ein kleiner Rollkoffer mit Klamotten, die Lederjacke obendrauf, und eine Tüte mit Schuhen, also Clogs, Motorradstiefel und Wanderschuhe.
    Das ist aber noch nicht alles. Axel selber war vor zwei Jahren mit nur zwei Koffern abgereist in das Land der tausend Seen. Nun gibt es außer unserem Gepäck noch einiges für ihn zu transportieren. Der ehemalige Musiker und Inhaber eines Mini-Alternativ-Independent-Plattenlabels sehnt sich nach seinen LP s und Singles, Technik wie PC , Plattenspieler und seinen beiden Lieblingsgitarren. Mein Kombi wird zum Lieferwagen.
     
    Irgendwann ist alles verladen, Hermann sitzt hinten, mit »dän Korff«, dem Korb, vorne Ilse mit dem Eimer, »dän Emmer«. Das muss ich erklären: Meine Mutter leidet chronisch an Tinnitus und Morbus-Menière, Hörstürzen mit akuten Übelkeitsattacken und Drehschwindel. Auf die bereitet sie sich vor, indem immer ein kleiner 5 -Liter-Eimer mitfährt. Neben Hermann auf der Rückbank steht »de Korff« mit dem Wichtigsten für die gesamte Reise: Speisen und Getränke. Ilse hat geschmiert, gekocht und gebrutzelt. Und das Allerwichtigste ist auch verpackt: Die Gastgeschenke.
    »Watt nierme wi denn miehe?« Was nehmen wir denn mit? Das war bei allen Reisevorbereitungen die wichtigste Frage für meine Eltern. Über Monate. Die Gastgeschenke für Finnland wurden zum Problem. Was schenken wir unseren Finnen? Was nehmen wir für Axel und Viivi, was für ihre Eltern Kati und Matti mit? Wir hatten uns mit Axel telefonisch beratschlagt.
    »Die mögen Weizenbier. Und das gibt es nicht hier in Finnland.«
    Darauf Ilse: »Aber wir können doch nicht eine Kiste Bier mitbringen. Wie sieht das denn aus? Also nee, wirklich nicht. Und nachher werden wir noch verhaftet, weil wir schmuggeln.«
    Ich schwieg diplomatisch. Wir entschieden uns am Ende für einen Bildband über Minden und einen über die »Straße der Weserrenaissance«. Dazu hatte ich
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