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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst!
Autoren: Bernd Gieseking
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Grippeviren genauso wie gegen Schnupfen, Husten, Heiserkeit. Nun sind wir endgültig vorbereitet. Wir haben unser Einführungsseminar für Finnland bei Arto bekommen.
     
    Die Nacht zu dritt in der Fährschiffkabine schlafen wir ohne Komplikationen durch. Der nächste Morgen. Eine frühe Sonne weckt uns. Ich schaue auf meinem Handy nach der Uhrzeit. Eine SMS ist eingegangen. Von Isabel! »Ich wäre jetzt so gerne bei dir. Kuss!«
    Ich tippe: »Bin sehr froh, dass du nicht da gewesen bist, denn ich wohne in einer Kabine mit meinen Eltern.« Ich speichere die SMS unter »Entwürfe«.
    Dann gehen wir hoch an die Reling. Wir fahren durch die finnischen Schären. Und natürlich steht auf jedem Felsen ein
mökki
.
     
    Kurz vor Ankunft gehe ich in den »Supermarkt« an Bord. Ich will noch ein Extra-Geschenk für meinen Bruder kaufen. Der Supermarkt auf der Fähre ist hauptsächlich ein Alkoholverkaufsstand, eine Art Riesenkiosk mit sechs Kassen. Neben den Regalen mit Wein, Schnäpsen und Likör, mit Brandy und Baileys und Whisky und Wodka stehen hier vor allem Paletten mit Dosenbier. Etliche Quadratmeter sind ausschließlich dem in Finnland und Schweden immer noch sehr teuren Gerstensaft reserviert. Mannshohe Türme erwarten die Durstigen, je 24  Dosen im Pappkarton, für Fachleute: im Tray! Auf jeder Palette 9 Lagen mit je 11  Trays. Demnach 99  Trays auf jeder Palette. 2376 Dosen. Ich zähle 8  Paletten. Dosen im Umfang der griechischen Staatsverschuldung!
    Um mich herum heftige Betriebsamkeit. Es ist, als würde man einen Ameisenhaufen in seiner unüberschaubaren Emsigkeit beobachten. Die Stapel werden von den Fährgästen mit größter Zielstrebigkeit entstapelt. Viele marschieren mit je einem Tray in jeder Hand hinaus. »Das musst du erst mal von hier über die Treppen bis zum Auto schaffen! Ich parke am anderen Schiffsende«, zischt mir ein schmalgebauter Mittdreißiger zu. Manche Finnen bedauern, dass der Mensch nur zwei Hände habe. Aber denen kann geholfen werden. Die »Krönung der Hafenrundfahrt«: Als Sonderangebot gibt es vier Trays, die bereits übereinander auf einem kleinen Einkaufstrolley gestapelt und mit einem Gummizug gesichert sind. Also Bier auf Rollen. Dosen to go, Trolley inklusive. Das ist witzig, geschäftstüchtig und erschreckend zugleich. Und Hunderte Väter, Söhne, Onkel und Großväter schieben sich mit diesen betürmten Vehikeln in die Aufzüge, kämpfen sich die Treppen hinab zum Autodeck, schrammen zwischen den geparkten Autos entlang und wuchten sie dort ihren Kleinkindern auf den Schoß oder ihren Frauen unter den Hintern, weil es in diesen kompetent gepackten Autos keinen anderen Stauraum mehr gibt. Einige wenige sogar lassen ihre Angehörigen wortlos auf dem Parkdeck zurück.
    Ich will nicht sagen, dass das alles typisch finnisch ist, aber typisch skandinavisch ist es auf alle Fälle. Ich wechsle auf das wissenschaftliche Prinzip der sogenannten »teilnehmenden Beobachtung« und kaufe ebenfalls 24  Dosen im Pack und denke, während ich mit meinem lächerlichen einen Tray hinter den Biertransportern auf den Treppen zu den Autodecks laufe: »So geht es also zu in Axels neuer Heimat.«

Last Exit Lahti
    Montag. Turku, Fähranleger. Wir fahren von Bord und werden von strahlendem Sonnenschein empfangen. Das ist also das Land meines Bruders. Es regnet nicht. So früh morgens ist auch keine einzige Mücke zu sehen. Der Finne meint es gut mit uns. Mein Navigationsgerät zeigt uns den Weg, Hermann blättert wie immer im Autoatlas.
    Die Schlangen vor den Speisetheken im Schiff mit dem schwedisch-finnischen Essensangebot hatten wir links liegenlassen. An der ersten großen Kreuzung außerhalb Turkus lockt eine Tankstelle. In Finnland sind die Tanken fast allesamt kleine Restaurants und Treffpunkte. Aber was verbirgt hier der Bäcker im Gebäck? Meine Eltern stehen konsterniert vor der Theke, und Hermann schaut hilfesuchend nach aufgeklappten Broten, bei denen man wenigstens würde erkennen können, womit sie belegt sind.
    Ich spreche mit der Kassiererin. Sie hält mich wohl für einen Finnen, denn was sie sagt, verstehe ich nicht. Wir versuchen es beide auf Englisch. Das hilft bei den Süßwaren nicht wirklich weiter, denn entweder weiß sie nicht zu sagen, was im Gebäck ist, oder ich kenne das englische Wort nicht. Wir werden also Lose ziehen mit halbwegs einer Aussicht auf Gewinn. Aber die Dame ist zauberhaft, und wir lernen vor allem das: In Finnland zahlt man nur den ersten Kaffee und
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