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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor
Autoren: Myriane Angelowski
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hupte noch einmal und fuhr davon.
    Kilian sah ihr nach, bis sie in der nächsten Kurve verschwand.

Cuxhaven-Holte-Spangen
    Die Fingerkuppen wellten sich von dem langen Bad in der Wanne, trotzdem ließ Kilian immer wieder heißes Wasser nachlaufen. Ihm wurde einfach nicht warm. Seine Stimmung schwankte zwischen Euphorie und Entsetzen. Dallinger. Sie hatten ihn tatsächlich kaltgemacht. Sollte sich sein Leichnam in der Nordsee aufblähen! Und selbst wenn seine Überreste irgendwann an Land getrieben wurden, so gab es nicht den kleinsten Hinweis auf die Umstände seines Ablebens.
    Wirklich nicht? Realistisch konnte er die Möglichkeiten polizeilicher Ermittlungsarbeit nicht einschätzen. CSI New York. Mac Taylor und seine Leute knackten jede Nuss. Aber das war Fiktion, oder?
    Mit einem flauen Gefühl im Magen tauchte Kilian, blieb einige Sekunden unter Wasser, hob den Kopf und schnappte nach Luft.
    Natürlich würde Dallingers Tod Rätsel aufgeben. Klebebandreste an den Händen deuteten nicht gerade auf Selbstmord hin. Das Gefühl in der Magengegend verstärkte sich. Ruhig bleiben, Alter. Gregor konnte eventuell unangenehme Fragen stellen. Mach dich nicht verrückt. Wenn es darauf ankam, würden ihm die richtigen Antworten einfallen.
    Diane schob sich in seine Gedanken. Einerseits konnte er verstehen, dass sie kalte Füße bekommen hatte, Dallinger war nicht zimperlich mit ihr umgegangen. Andererseits ließ man Freunde nicht im Stich, und schon gar nicht bei so einer heiklen Mission. Er spürte Enttäuschung. Gerade von Diane hatte er mehr erwartet. Mehr Einsatz, mehr Engagement. Spiel dich nicht so auf, Alter! Du hast aus sicherer Deckung agiert, jedenfalls zu Beginn des Plans. Diane stand im Fokus!
    Trotzdem, sein Verhalten erfüllte ihn mit Stolz. Persönlich war er bei dieser Sache über sich hinausgewachsen. Als es brenzlig wurde, hatte er den Überblick behalten, Lösungen gefunden und sogar Phyllis diktiert, wo es langging. Er versuchte, sich jede Situation der vergangenen Nacht ins Gedächtnis zu rufen. Dieses Hochgefühl wollte er so lange wie möglich spüren. Endlich hatte er aktiv werden können. Der Verfall seiner Familie ging eindeutig auf Ronald Dallingers Konto.
    Als Rache verstand er seinen Beitrag zu dessen Tod nicht. Gerechtigkeit, der Gedanke gefiel ihm viel besser, denn wenn Dallinger ernsthaft gedacht hatte, dass er mit dem Absitzen dieser lächerlichen Jährchen aus dem Schneider war, dann hatte ihn die vergangene Nacht eines Besseren belehrt.
    Kilian wusch sich die Haare. Er spürte eine tiefe Befriedigung. Am liebsten hätte er Maxi nach Hause geholt, sie die ganze Nacht im Arm gehalten. Er ertappte sich sogar bei dem Gedanken, dass er seinem Vater nah sein wollte. Irgendetwas hatte sich in ihm gelöst. Das spürte er deutlich.
    Kilian stieg aus der Wanne. Sein gutes Gefühl hielt an, bis er im Bett lag und Müdigkeit ihn förmlich überrollte.
     
    Er erwachte erst am späten Nachmittag.
    Tiefe Donner rollten über das Land, unterbrochen von Blitzen, die wie kurze Flashlights den düsteren Himmel erhellten. Kilians Glieder schmerzten, er spürte jeden Knochen, kochte Kaffee, schaltete sich durch Fernsehprogramme, erfuhr, dass die Bombe entschärft war, und blieb bei einer Dokumentation über Bergsteiger hängen.
    Am Abend versuchte er, Phyllis zu erreichen. Ohne Erfolg. Mittlerweile regnete es in Strömen. Er schob Fertigpizza in den Ofen, wickelte sich in eine Decke, zündete einige Kerzen an und verspeiste sein Abendessen vor einer Folge der Simpsons.
    In der Werbepause stellte er den Ton aus. Wind heulte ums Haus. Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheiben. Ein lautes Rascheln ließ Kilian hochfahren. Es kam aus der Diele. Relax, Alter. Deine Sinne spielen verrückt.
    Er zog die Decke über seine Schultern. Da. Wieder das Geräusch. Und ein leises Stöhnen. Kilian wagte kaum zu atmen, starrte auf die Wohnzimmertür. Die Klinke bewegte sich. Eindeutig . Hundertprozentig Quatsch. Du spinnst. Beruhige dich. Sieh genau hin, da ist nichts.
    Kilian starrte wie hypnotisiert auf den silbernen Griff.
    Kaum wahrnehmbar wurde die Klinke nach unten gedrückt. Dann bewegte sich die Tür. Millimeter für Millimeter. Einbrecher. Kilian berechnete die Entfernung zum Fenster. Vier, maximal fünf Schritte. Und dann? Auf der Fensterbank standen mehrere Blumentöpfe. Hier kam er nicht raus. Das Fenster im Bad fiel ihm ein. Er hatte es nach dem Föhnen gekippt. Keine Blumen. Keine Barrieren.
    Jetzt
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