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finde-mich-sofort.de (German Edition)

finde-mich-sofort.de (German Edition)

Titel: finde-mich-sofort.de (German Edition)
Autoren: Tatjana Meissner
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geändert, das ich mir seit einigen Wochen immer mal wieder schmachtend ansah. Er schrieb nun: »Es ist Mai, die Sonne scheint, der Frühling kommt, und alle meine Ansprüche haben sich auf einen Wunsch reduziert. Frauen, meldet euch!« Das gefiel mir. Da steckte Humor drin. Es war klar formuliert und doch nicht zu eindeutig. Ironie, die genau meinen Geschmack traf. Und ich verstand. Also erlaubte ich mir ein Zugeständnis: Dafür, dass ich den von ihm unlängst noch geäußerten Kinderwunsch ignorierte, warf ich vorübergehend meine Hoffnungen auf eine feste Partnerschaft über Bord. Buchhalter hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass die ernsthafte Suche nach einer Frau, mit der er eine Familie gründen wollte, einstweilen auf Eis gelegt war. Er wollte Spaß haben, und das funktionierte ja auch ganz gut ohne unbedingte Aussicht auf Nestbau und Nachwuchs. Er richtete seinen einstweiligen Aufruf an alle Frauen dieser Welt und doch war er nicht aufdringlich oder ungehobelt. Doch nicht alle Männer können – oder wollen – sich so manierlich ausdrücken. Manche nutzen die Anonymität des Internets auch für ganz andere Angebote. Erst kürzlich fand ich die Mail von einem stark Bedürftigen in meinem Postfach:
    Zerzauselliebhabefee!!! Warum tun wir ’ s nicht einfach, verdammich!!! Dieses, unser Leben, ist doch sooooooo wahnsinnig kurz!!! Es ist mir jetzt egal, was du von mir hältst. Denn ich bin ein körperlich kerngesunder Mann und absolviere alle IQ -Tests mit wenigstens 115/120. Ich will mit dir, Zauberbraut, total versaut und verkommen ficken (o Gott) und meinen heißen Saft in deine kleine, zarte, heiße und enge Irrsinnsmuschi oder weiß ich wohin spriiiiitzen. Ich bin momentan einfach nur geil auf dich. Das ist keine beschissene, primitive Anmache!!! Bitte glaube es mir! Ich bin einfach nur, jedenfalls in diesem Augenblick, Mann & Tier gleichzeitig. Wenn du das nicht verstehst, hast du es nicht verdient, Frau zu sein. Gib uns eine Chance, UNS in den Irrsinn und den Wahnsinn zu lecken und zu ficken. DU kannst das, Ich auch!!! Ich weiß mit 1000000 % iger Sicherheit, dass es funktionieren würde!!! Gib UNS die Chance nur einmal, nur einmal, unsere »gute Erziehung« zu vergessen. Du, nur du, hast es in der Hand und entscheidest darüber, ob uns beiden Orgasmus-Tränen übers Gesicht fließen!!! Ja, ich weiß, dass ich mich jetzt verdammt weit aus dem Fenster gelehnt habe, Wahnsinnsfrau!!! Sei ’ s drum und sch … egal. Ich hab ’ s mir grade selbst gemacht und dabei an DIch gedacht! Ende!

    Normalerweise ignorierte ich konsequent solche Mails und denke gar nicht darüber nach. Doch über diese Mitteilung von jemandem, der sich auch noch Zungenspiel nannte, war ich so entsetzt, dass ich sofort Alexandra anrief. Schon während ich ihr die ersten Zeilen dieses Pamphlets vorlas, unterbrach sie mich und meinte ungläubig: »Das gibt’s doch gar nicht! Die gleiche Mail war auch in meinem Postfach.«
    »Wer weiß, wie viele Frauen das noch erhalten haben?«
    »Ob da jemand drauf antwortet?«
    Wir waren empört. Buchhalter s Motto dagegen empörte mich gar nicht. Ich schrieb ihm:
    Hallo Buchhalter ! Ich mag dein Profil. Die Kernaussage amüsiert mich. Würde mich freuen, von dir zu hören. Liebe Grüße!
    Er antwortete sehr nett – nannte mich »Wuschelkopf« *schmacht* – und sehr schnell. Ich nahm an, der beginnende Sommer und sein wahrscheinlich sonnenbedingter Testosteronüberschuss trugen einiges dazu bei.
    Nur wenige Tage nach der ersten Kontaktaufnahme verabredeten wir uns in einem Lokal am Nauener Tor. Ich war zuerst da und setzte mich an den letzten freien Tisch des gut gefüllten italienischen Restaurants. Erneut postierte ich mich mit dem Rücken zur Wand. So überblickte ich alles: die Tische mit den rot-weiß-karierten Decken und die laut durcheinanderredenden Gästen daran und nicht zuletzt die Eingangstür. Er erschien: groß, blond, unauffälliges Jackett. Das Hemd darunter war dem Muster der italienischen Tischdecken verblüffend ähnlich, weswegen ich ein Kichern unterdrücken musste – nein, ich habe nichts gegen Männer im Jackett. Er setzte sich zu mir, und sofort bemühte ich mich, die ersten Minuten mit einfachen Fragen zu überbrücken. Wenn gar nicht gesprochen wird, werde ich unruhig. Der Kellner kam an unseren Tisch.
    »Was nimmst du?«, fragte Buchhalter . Ich ließ ihn entscheiden und beobachtete, wie er die Karte studierte. Hochkonzentriert, nicht das kleinste Lächeln entspannte
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