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Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Titel: Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
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ich, als ich mich wieder an den Küchentisch setzte. »Sind Sie gar nicht neugierig, was die Explosion angeht?«
    Matzbach rümpfte die Nase. »Es hat einen Knall gegeben. Und Qualm. Die Polizei hat ihre Sirenen ausprobiert. Jetzt fliegt ein Polizeihelikopter spazieren. Wenn ich neugierig wäre, würde mir das was nützen? Der Qualm geht nicht wieder in die Büchse, aus der er gekommen ist. Wenn’s da einen Tatort oder Untatort gibt, ist er vermutlich abgesperrt, und die Jungs, die da rumlaufen, beantworten bestimmt keine Fragen. Also? Was war mit Ihrer Geschichte?«
    Ich musterte das Gesicht, die Falten, das graue Kraushaar. Und die Augen. Sie waren grau, irgendwie scharf hinter einem Schleier aus Müdigkeit oder Erschöpfung.
    »Sie wirken schon viel lebendiger als vorhin«, sagte ich. »Liegt das am Wasser? Am Sitzen? Oder daran, daß Sie ein bißchen gedrechselten Senf ablassen konnten?«
    Matzbach lachte. »Das wäre ein erlesener Beruf – Senfdrechsler … Lassen Sie mich noch ein bißchen weiter drechseln, ja? Da Sie offenbar nicht reden mögen. Sie sind, schätze ich, Anfang dreißig, haben irgendwann mal Abi an einer Schule gemacht, auf der es noch Latein gibt, und sich danach zu den Fahnen des Vaterlands begeben. Jetzt hüten Sie ein Haus. Zwölf Jahre Bundeswehr? Ausgestiegen, weil Sie keine Lust mehr hatten und was anderes machen wollten? Dann würden Sie hier nicht dieses Haus hüten. Oder sich jedenfalls nicht als Haussitter bezeichnen. Also nicht ausgestiegen, sondern vielleicht verwundet ausgeschieden? Mit einer kleinen Versehrtenrente, ah, Gebührnis oder wie immer das amtlich heißt, und bis Ihnen was Interessantes einfällt, hüten Sie Häuser. Hm. Afghanistan?«
    Ich bewegte die Schultern; mir war, als liefe eine Spinne mit Eisfüßen meine Wirbelsäule hinab und wieder hinauf. »Kein Abi, ein Jahr vorher abgebrochen. Sonst nicht schlecht. Wenn Sie jetzt noch etwas über meinen Teint und meine Haltung sagen, weiß ich, in welchem Buch wir sind.«
    »Hatten Sie beim Bund so viel Zeit zum Lesen? Aber keine Sorge, Watson.« Matzbach schob die Unterlippe vor und tastete nach dem Wasserglas. »Hätten Sie wohl noch ein paar von diesen köstlichen Tröpfchen für mich?«
    Ich nahm das Glas und ging zur Spüle. Aus den Augenwinkeln registrierte ich eine Bewegung, draußen hinter der Ilex-Hecke. »Moment«, sagte ich. »Da ist jemand …« Ich trat auf die Terrasse hinaus und rief: »Hallo, was machen Sie da? Sie wissen, daß das ein Privatgrundstück ist, ja?«
    Im Prinzip interessierte es mich nicht, was da im Garten kreuchte. Ein Eindringling, zwei Zweidringlinge – Mensch oder Tier, Stadt Land Fluß. Natürlich hatte es BoBo den Haussitter zu beschäftigen, aber ich wollte vor allem ein paar Momente aus der Küche, weg von Matzbach. Es war eine Art Abwägen. Was auch immer in den letzten Jahren mit ihm geschehen war, was ihn hatte altern und verfallen lassen, mochte eine trübe oder – je nach der Art des Erzählens – erheiternde Geschichte ergeben. Sie zu hören war mir aber weniger wichtig als etwas anderes: meine Geschichte nicht zu erzählen. Und ich wußte nicht, wie lang ich mich seiner Fragen und seines Scharfsinns erwehren konnte.
    Von der Terrasse führten drei Stufen hinunter zu einer größeren Rasenfläche, die ich eigentlich mähen sollte. Dahinter stand die wie mit Lineal und Skalpell beschnittene Ilexhecke, dahinter die Trauerweide, an die sich ein Geräteschuppen lehnte. Und dort hatte ich die Bewegung gesehen.
    »Hallo? Wer sind Sie?« rief ich.
    Es gab keine Reaktion. Entweder hatte ich mich geirrt, oder der Eindringling legte keinen Wert auf Konversation.
    Ich dachte an andere Hecken unter einem anderen Himmel, staubige Krüppelgewächse; an Erdwälle, hinter denen bärtige Männer mit Kalaschnikows liegen konnten. Ich dachte einen herben Fluch, der im Zweifel mir selbst galt, ging ein paar Schritte nach links und gelangte zwischen zwei Blumenbeete, in denen Gartenzwerge hockten und mich anstarrten, als wollten sie sagen: »Unkraut jäten, BoBo.« Aber dafür wäre sowieso Gereon der Gärtner zuständig. Rasenmähen, hatten der Besitzer und ich vereinbart, wäre das Äußerste an Tätlichkeiten.
    Am Ende der Beete gab es eine kleine, freie Fläche, und von dort konnte ich halb hinter den Ilexwall schauen. Am Fuß der Trauerweide, mit dem Rücken gegen die Tür des Geräteschuppens, saß eine rothaarige Frau.
    »Hallo?« sagte ich noch einmal.
    Keine Reaktion. Sie saß da, als
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