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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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und blickte Winterfeld spitzbübisch an. »Was macht Ihr sechster Sinn? Ich hatte damit gerechnet, dass Ihnen die Stille nicht gefällt, weil es keine Stille ist, sondern nur die Ruhe vor dem Sturm. Oder haben wir diesmal wirklich Stille?«
    Winterfeld zuckte die Schultern und ließ die Asche drei Stockwerke nach unten fallen, wo sie zwischen Sträuchern und Heizungsrohren zerfaserte.
    »Manchmal ist Stille wirklich Stille. Aber Sie haben recht. Meist ist sie nur die Lautlosigkeit des Laserpointers im Zielfernrohr, bevor der Schuss fällt.« Er atmete tief aus und schob die Zigarilloschachtel in seine Hosentasche. »Aber vielleicht haben wir Glück. Vielleicht haben wir wirklich ein bisschen Ruhe. Sie ja ohnehin, Sie machen Urlaub, und Hermann und ich werden den ganzen Papierkram erledigen, mit den Psycho-Typen über das Täterprofil des Werwolfs sprechen und dann hoffentlich ein geruhsames Wochenende haben.«
    Hermann war Winterfelds Assistent und zudem ein Experte für Computerkriminalität, ein großer, schweigsamer Mann mit kahl geschorenem Kopf, der immer hundert Prozent präsent war, wenn es darauf ankam. Er konnte furchterregend aussehen – und es auch sein. Er kam Clara wie ein Grizzlybär vor, der immer genug Honig bekommen musste, damit er ein Teddybär bleibt.
    Winterfeld stieß ein letztes Mal Rauch aus, zerdrückte den Zigarillo am Fenstersims und warf den Stummel in die Dunkelheit.
    »Apropos Psychos«, sagte er dann, wobei er das Fenster wieder schloss. »Martin Friedrich ist noch im Büro. Sie wollten ihn doch kennenlernen. Morgen fliegt er nach Wiesbaden, um auf der Herbsttagung des BKA einen Vortrag zu halten, und ich weiß nicht, ob er vor Ihrem Urlaub zurückkommt.«
    »Na, dann werde ich ihn mal besuchen«, sagte Clara und trank den Kaffee aus. »Vierter Stock?«
    »Wo sonst?«
    »Das klingt so, als gehöre er dorthin.«
    Winterfeld blickte sie wieder an, ganz der erfahrene, gütige Lehrmeister, der er schon während ihrer Ausbildung gewesen war. »Die Vier«, sagte er, »ist bei den Chinesen eine Unglückszahl, weil sie ähnlich klingt wie das Wort für Tod.«
    Clara lächelte. »Wieder was gelernt. War es schwer, diesen Bezug vom Zaun zu brechen?«
    »Einfach war es diesmal nicht.« Winterfeld lächelte ebenfalls. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend!« Damit drehte er sich um und stapfte den Gang hinunter.

8.
    »Entschuldigung«, sagte die Empfangsdame am Schalter der Senator Lounge, nachdem Torino schon drei, vier Schritte an ihr vorbei war. »Darf ich Ihre Karte sehen? Sind Sie Senator?«
    »Was soll ich denn sonst sein?«, fragte Torino unwirsch und wedelte mit der Karte, als würde er eine Fliege verscheuchen. »Ein Schlangenbeschwörer?«
    Er betrat die neue Senator Lounge. Nachdem die Lufthansa und der Flughafen fast zwei Jahre lang geheimniskrämerisch die Baustelle verriegelt hatten, war Torino mehr als enttäuscht, als er die neue Lounge sah. Was, zur Hölle, hatten diese Idioten eigentlich die ganze Zeit gemacht? Schnaufend stellte er Tasche und Rollkoffer ab und wiegte Ausschau haltend den Kopf hin und her. Das können sich auch nur deutsche Bauarbeiter und Handwerker erlauben, dachte er. Ab sieben Uhr morgens Krach machen, außer Pfusch nichts zustande bringen und am Ende eine Rechnung präsentieren, auf die jeder Investmentbanker neidisch wäre.
    Er ließ den Blick weiter über die Lounge schweifen und entdeckte seinen Gesprächspartner. Tom Myers, Managing Director von Xenotech, hatte sich aus dem Olymp der HON-Travellers, dem höchsten Zirkel, reserviert für die besten Kunden der Lufthansa, in die Niederungen der Senator Lounge begeben – zum einen, weil Albert Torino »nur« Senator war, zum anderen, weil der Anteil der VIPs, die Gesprächsfetzen aufschnappen konnten, hier viel geringer war. Am besten war es ohnehin, man setzte sich gleich in die Business Lounge, wenn man ungestört sein wollte. Da saßen nur subalterne Vertriebschefs und Praktikanten von irgendwelchen Unternehmensberatungen, die allesamt nichts zu melden hatten.
    Tom Myers war verantwortlich für die globale Strategie von Xenotech, dem größten Webportal der Welt. Xenotube, der Videokanal des Internetgiganten, war die meistbesuchte Videopage der Welt – ein Kanal, zu dem allein Myers den Schlüssel hatte wie ein Petrus des Internets.
    Torino hatte Xenotube für sein neues Show-Format ins Auge gefasst. Nun würde er Myers bearbeiten müssen, da dieser von Torinos pornographischem
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