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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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würde.
    Vielleicht reichte es ihm ja, sich der Illusion hingeben zu können, die Frau seiner Träume wenigstens getroffen zu haben –, auch in dem Wissen, dass er nie seinen Schwanz in sie reinbekommen wird. Oder er wollte vor sich selbst nicht als Versager dastehen, der eine Chance ungenutzt lässt, auch wenn sie noch so jämmerlich gering ist. Wahrscheinlich hat er sie ohnehin nur getroffen, um beim Masturbieren mal wieder ein klares Bild vor Augen zu haben.
    Ob der Typ auch mal ein Killer wird? Einer, der die lebendige Frau im Café eintauscht gegen eine aufgeschnittene und ausgeweidete Leiche, weil tote Frauen nicht Nein sagen? Ich werde es nie erfahren, aber der Gedanke ist interessant.
    Jasmin kommt am Sonntagabend zurück. Das steht nicht bei Facebook, sondern in ihrem bahn.de-Konto, in das ich mich eingehackt habe. Deshalb werde ich am Sonntag mein Haus verlassen. Ich werde Jasmin in ihrer Wohnung erwarten. Und ich werde sie töten.

7.
    Die Abenddämmerung hatte den Himmel in ein ähnliches Farbenmeer verwandelt wie die Kerzen das Kirchengewölbe in der Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Clara stieg in ihren Dienstwagen, einen schon ziemlich betagten Audi, fuhr die Allee unter den Linden hinunter und bog nach links in die Friedrichstraße ab, Richtung Tempelhof, zur Zentrale des LKA Berlin.
    Clara arbeitete bei der Mordkommission, in der Abteilung für Forensik und Pathopsychologie, die vor Kurzem aufgestockt worden war. Je größer eine Stadt, desto mehr Geistesgestörte gab es dort, und Berlin machte da keine Ausnahme. Also wollte der Senat auf diesem Feld nicht untätig erscheinen.
    Clara würde noch ungefähr zwei Stunden im Büro sein, einen Kollegen treffen, ein paar Akten zu ihrem alten Fall abarbeiten und dann nach Hause fahren. Bis auf den 23. Oktober, der ihr schon während der vergangenen Tage zu schaffen gemacht hatte, war die Woche ausgesprochen entspannt verlaufen, was auch nötig gewesen war. Der letzte Fall, den sie gemeinsam mit Kriminaldirektor Winterfeld gelöst hatte, ihrem Vorgesetzen und Chef der Mordkommission, war die Jagd auf den »Werwolf« gewesen, einen psychopathischen Killer, der eine blutige Schneise durch Berlin gezogen hatte. Er hatte in Berlin sieben Frauen auf bestialische Weise getötet, Vergewaltigung vor und nach dem Tod inklusive. Der Fall hatte bei allen Beteiligten die Nerven bis zum Zerreißen strapaziert, zumal der Polizeipräsident befohlen hatte, die Presse strikt aus dem Fall herauszuhalten, was die Sache nicht gerade leichter gemacht hatte.
    Clara lenkte den Wagen in die Friedrichstraße und fuhr auf die großen kastenförmigen Bürogebäude zu, die sich zwischen den klassizistischen Fassaden der alten Stadthäuser erhoben.
    Mit Winterfeld, 59 Jahre alt und in zweiter Ehe geschieden, hatte Clara schon oft zusammengearbeitet. Ganz durchschaut hatte sie ihn aber noch immer nicht. Einerseits ein knallharter Pragmatiker, der keinen Firlefanz duldete, behauptete er allen Ernstes, so etwas wie ein Zweites Gesicht zu haben. Sein Meisterstück hatte er abgeliefert, als er – damals noch in Hamburg – den »Tütenmörder« gefasst hatte, einen Päderasten, der Kindern Plastiktüten über den Kopf gezogen hatte, während er sie vergewaltigte. Es hatte diesen Mann erregt, wie die Gegenwehr der Kinder wegen des Sauerstoffmangels immer mehr erlahmte, bis sie bewusstlos wurden und starben, während er sich an ihnen verging. Der Mann war Berufsschullehrer gewesen, einer von den Typen, die das Weihnachtskonzert an der Schule organisieren und jeden Morgen als Erste den Schnee vor ihrem Haus fegen. Ein richtiger Biedermann.
    Hannah Arendt hatte den Begriff der »Banalität des Bösen« geprägt. John Wayne Gacy war so ein unscheinbarer Vertreter gewesen. Heinrich Himmler ebenfalls. Und Klaus Beckmann, der Tütenmörder, gehörte auch dazu.
    Winterfeld hatte Clara damals unter seine Fittiche genommen, gemeinsam mit Sarah Jakobs, einer ebenfalls begabten jungen Kommissarin, die ein paar Jahre später als Clara beim LKA angefangen hatte, dann allerdings zum Dezernat für Wirtschaftskriminalität abgewandert war. Clara hatte sie lange Zeit nicht gesehen. Es ging das Gerücht, Sarah habe irgendeine Riesengeschichte aufgedeckt und lebe jetzt mit neuer Identität an einem unbekannten Ort, bis Gras über die Sache gewachsen war.
    Sarah war so etwas wie Claras kleine Schwester, allerdings die »große kleine Schwester«. Die dunkelblonde, braunäugige Frau wirkte wie das Gegenstück zur
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