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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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anzusehen, dass er Torinos Idee faszinierend, aber auch ein wenig abstoßend fand.
    »Schweinkram, der Furore machen wird«, sagte Torino, »und der aus euren zehn Millionen Nutzern auf einen Schlag zwanzig Millionen macht.«
    Myers schulterte seine lederne Umhängetasche. »Ich weiß nicht ...«
    »Doch, du weißt«, sagte Torino. »Und du hast jetzt eine Stunde Flugzeit bis nach Frankfurt, um dich zu entscheiden.«
    »Ich denke darüber nach.« Er schüttelte Torino die Hand.
    Torino nickte. »Aber nicht zu lange. Das Leben ist kurz. Zeit ist Geld. Und ein Jahr ...«
    »Ich weiß«, sagte Myers, wobei man sehen konnte, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. »Ein Jahr sind fünf Internet-Jahre.«

9.
    Prof. Dr. Martin Friedrich, Leiter der Abteilung für operative Fallanalyse des LKA, war eine Koryphäe. Er hatte am Universitätsklinikum der Charité und am Johns Hopkins in Baltimore Medizin und Psychiatrie studiert, hatte an der Universität von Virginia und in Quantico Forensik belegt und in Harvard, London und Berlin Vorlesungen über das »Täterprofil des Serienkillers« gehalten. Friedrich war ein Workaholic, der das Wort Freizeit nicht kannte.
    Nach dem Medizinstudium und der Ausbildung zum Psychiater hatte er beim FBI das Profiling gelernt – die Analyse der Persönlichkeit eines Serienmörders –, bei keinem Geringeren als Robert Ressler, dem Mann, der Thomas Harris beim Schreiben von Das Schweigen der Lämmer geholfen hatte. Ressler hatte nicht nur das Profiling zur Perfektion entwickelt, er hatte auch den Begriff »Serienkiller« geprägt. Vorher hatte man von »Massenmördern« gesprochen, doch dieser Begriff war nicht ganz korrekt: Dem klassischen Massenmörder geht es darum, mit einem Mal möglichst viele Menschen zu töten, während der Serienkiller immer wieder tötet.
    Clara hatte mehrere Bücher von Ressler gelesen, darunter Whoever Fights Monsters und I Have Lived in the Monster . Sie hatte auch die Interviews von Ressler gelesen, die er mit berüchtigten Serienkillern geführt hatte, darunter mit John Wayne Gacy, der bis zu seiner Hinrichtung bestritten hatte, dreiunddreißig junge Männer getötet zu haben, weil er dies bei seiner Achtzigstundenwoche als Unternehmer »zeitlich gar nicht geschafft« hätte – wobei sich dann allerdings die Frage stellte, woher die mehr als zwanzig halb verwesten Teenager-Leichen kamen, die unter dem Keller seines Hauses gefunden wurden.
    Ressler hatte auch das Interview mit Jeffrey Dahmer geführt, dem »Kannibalen von Milwaukee«, der Schwule in Bars aufgerissen, mit zu sich nach Hause genommen, narkotisiert, vergewaltigt, getötet und seziert hatte. Dann hatte er die Leichen ausgekocht und aus den Knochen und Schädeln Altäre und Schreine in seinem Wohnzimmer errichtet. Einige hatte er gefoltert, hatte ihnen bei vollem Bewusstsein die Schädeldecke aufgebohrt und ihnen Säure ins Gehirn geträufelt, um sie auf diese Weise zu willenlosen Lust-Zombies zu machen. Dahmer hatte ausgesagt, er habe sich einsam gefühlt und geahnt, dass er nie einen Menschen finden würde, der mit ihm zusammenleben wollte – jedenfalls keinen lebenden. Deshalb habe er beschlossen, Tote bei sich zu haben oder – besser – deren Überreste. Dahmer starb schließlich im Gefängnis, getötet von einem Mithäftling, der ihm einen Besenstiel durchs Auge ins Gehirn rammte.
    Doch Gacy und Dahmer waren Ausnahmen. Die meisten Serienkiller töteten entsprechend ihrer sexuellen Präferenz. Und da der Großteil der Serienkiller männlich ist und die meisten Männer heterosexuell veranlagt, sind die typischen Opfer von Serienkillern – Frauen!
    Wow , hatte Clara damals gedacht, ich bin im richtigen Job gelandet!
    Mit Martin Friedrich hatte Clara vorher nur indirekt zu tun gehabt: Friedrich hatte dem Team um Kommissar Winterfeld ein detailliertes Täterprofil des »Werwolfs« erstellt, ohne dass Clara und Winterfeld damals gewusst hatten, dass Friedrich bereits für sie arbeitete: Da es Bellmann und dem Polizeipräsidenten wichtig gewesen war, die Presse aus dem Fall herauszuhalten, wurden auch innerhalb der Abteilungen chinesische Mauern errichtet. Und da Martin Friedrich erst seit vier Wochen für das LKA in Berlin arbeitete und deshalb noch niemand wusste, ob »der Neue« schon da war oder nicht, lief alles nach Plan.
    Friedrich, so hatte Clara erfahren, begeisterte sich für Schottland. Dort verbrachte er die meisten Urlaube, in der Regel allein mit einem ganzen Koffer voller Bücher,
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