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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum
Autoren: George R.R. Martin
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um. Und in diesem Winter - es war ein furchtbarer Winter. Vier meiner Schiffe lagen hier in St. Louis zum Überwintern. Die Nicholas Perrot , die Dunleith , die Sweet Fevre und meine Elizabeth A. , brandneu, erst vier Monate im Dienst und ein schönes Schiff dazu, etwa 300 Fuß lang mit 12 großen Kesseln, so schnell wie jedes andere Dampfboot auf dem Fluß. Ich war richtig stolz auf meine Lady Liz. Sie kostete mich 200 000 $, aber sie war jeden Penny wert.« Die Suppe kam. Marsh kostete einen Löffelvoll und verzog unwillig das Gesicht. »Zu heiß«, stellte er fest. »Nun, jedenfalls, St. Louis ist ein günstiger Ort zum Überwintern. Es friert hier unten nicht so stark, und wenn doch, dann dauert es niemals lange. Aber dieser Winter war ganz anders. Ja, Sir, Packeis. Der verdammte Fluß fror vollständig zu.« Marsh schob eine mächtige rote Hand über den Tisch, die Handfläche nach oben, und schloß die Finger langsam zu einer Faust. »Legen Sie dort ein Ei hinein, und Sie bekommen eine Vorstellung, York. Eis kann ein Dampfboot leichter zerquetschen als ich ein Ei. Wenn es aufbricht, ist es sogar noch schlimmer, Eisschollen treiben den Fluß hinunter, zerschmettern Landungsbrücken, Uferdämme, Schiff, nahezu alles. Der Winter ging zu Ende, und ich verlor meine Schiffe, alle vier. Das Eis hat sie mir weggenommen.«
    »Versicherung?« fragte York.
    Marsh widmete sich seiner Suppe und schlürfte sie geräuschvoll. Zwischen den einzelnen Löffeln schüttelte er den Kopf. »Ich bin kein Spieler, Mister York. Ich habe nie in Versicherungen investiert. Das ist das reinste Glücksspiel, mehr nicht, außer daß man gegen sich selbst setzt. Alles Geld, das ich verdient habe, steckte ich in meine Boote.«
    York nickte. »Ich glaube, ein Dampfboot besitzen Sie noch.«
    »So ist es«, entgegnete Marsh. Er beendete seine Suppe und winkte, daß man ihm den nächsten Gang bringen solle. »Die Eli Reynolds , ein kleiner 150-Tonnen-Heckraddampfer. Ich hab’ sie immer auf dem Illinois eingesetzt, weil sie nicht allzu tief liegt. Den Winter über lag sie in Peoria und ist vom schlimmsten Eisgang verschont geblieben. Das ist mein restliches Kapital, Sir, alles, was mir noch geblieben ist. Schlimm ist nur, Mister York, daß die Eli Reynolds nicht allzuviel wert ist. Sie hat mich neu nur 25 000 $ gekostet, und das war damals im ’50er Jahr.«
    »Vor sieben Jahren also«, sagte York. »Das ist keine lange Zeit.«
    Marsh schüttelte den Kopf. »Sieben Jahre sind für ein Dampfboot sogar eine sehr lange Zeit«, erklärte er. »Die meisten halten nicht länger als vier oder fünf. Der Fluß frißt sie regelrecht auf. Die Eli Reynolds war stabiler gebaut als die meisten, aber dennoch, viel länger hält sie nicht mehr durch.« Marsh wandte sich jetzt seinen Austern zu, löffelte sie aus der Muschelhälfte und schluckte sie ganz, um jede mit einem kräftigen Schluck Wein hinunterzuspülen. »Deshalb bin ich ein wenig verwirrt, Mister York«, fuhr er fort, nachdem er ein halbes Dutzend Austern vertilgt hatte. »Sie wollen sich zur Hälfte an meiner Frachtlinie beteiligen, die aus nicht mehr besteht als aus einem kleinen, alten Boot. In Ihrem Brief haben Sie eine Summe genannt. Eine zu hohe Summe. Vielleicht, wenn ich noch sechs Boote besäße, dann wäre die Fevre River Packets so viel wert. Aber nicht jetzt.« Er schlürfte eine weitere Auster. »Sie bekommen Ihre Einlage in zehn Jahren nicht heraus, jedenfalls nicht mit der Reynolds . Sie kann nicht genug Fracht laden, und Passagiere auch nicht.« Marsh tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab und betrachtete den Fremden über den Tisch hinweg. Die Mahlzeit hatte ihm gutgetan, und nun fühlte er sich wieder stark und der Situation voll und ganz gewachsen. Yorks Augen hatten einen intensiven, zwingenden Ausdruck, aber es war nichts darin, weswegen er hätte Angst haben müssen.
    »Sie brauchen mein Geld, Captain«, sagte York. »Warum erzählen Sie mir das alles? Befürchten Sie nicht, daß ich mich nach einem anderen Geschäftspartner umsehe?«
    »Das ist nicht mein Stil«, sagte Marsh. »Ich bin jetzt schon seit dreißig Jahren auf dem Fluß, York. Bin mit dem Floß nach New Orleans runtergefahren, als ich noch ein Kind war, und hab’ dann auf Flachbooten und Kielbooten gearbeitet, bis ich auf einen Dampfer kam. Ich war Lotse und Maat und Bursche und hab’ sogar den Schlammspringer gemacht. Ich war alles, was man in diesem Geschäft sein kann, aber eines war ich nie, und zwar ein
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