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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum
Autoren: George R.R. Martin
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sagen: Der Mann schlug immer wieder auf mich ein, und ich schlug zurück . . . Er stürzte sich auf mich . . .
    So muß es sein, dachte Abner Marsh, es war das einzige, woran er denken konnte, das einzige, was ihm einfiel. Er blickte zum Oberlicht. Der Winkel war jetzt spitzer geworden, und es kam ihm so vor, als hätte das Licht einen rötlichen Schimmer bekommen. Joshua saß nun teilweise im Schatten. Vor einer Stunde wäre Marsh noch darüber erleichtert gewesen. Nun war er sich nicht so sicher.
    »Helft mir . . . «, sagte die Stimme. Es war ein gebrochenes Flüstern, ein ersticktes Keuchen. Aber sie hörten es.
    Sour Billy Tipton kam aus den Schatten hervorgekrochen und hinterließ eine Blutspur auf dem Teppich. Marsh sah, daß er sich mühsam vorwärtszog, während er sein Messer in den Holzboden rammte und es als Haltegriff benutzte. Seine Wirbelsäule war in einem Winkel verbogen, wie sie es eigentlich nicht sein durfte. Billy sah kaum noch wie ein Mensch aus. Er war bedeckt mit Schleim und Schmutz, war mit Blut verkrustet und blutete immer noch. Er zog sich wieder einen knappen halben Meter vorwärts. Sein Brust sah zerschmettert aus, und die Schmerzen hatten sein Gesicht zu einer abstoßenden Fratze verzerrt.
    Joshua York erhob sich langsam aus seinem Sessel, wie ein Mann, der traumwandelt. Sein Gesicht hatte eine schlimme rote Farbe angenommen. »Billy . . . «, begann er.
    »Bleib, wo du bist!« befahl die Bestie.
    York sah den anderen dumpf an und befeuchtete sich die aufgesprungenen trockenen Lippen. »Ich bedrohe dich nicht«, sagte er. »Ich will ihn töten. Es ist ein Akt der Gnade.«
    Damon Julian lächelte und schüttelte den Kopf. »Töte den armen Billy«, sagte er, »dann muß ich Captain Marsh töten.« Er klang jetzt fast genauso wie Julian.
    Sour Billy rutschte noch ein Stück weiter und blieb liegen. Sein Körper bebte. Blut sickerte aus Mund und Nase. »Julian«, sagte er.
    »Du mußt schon lauter reden, Billy. Wir können dich nicht verstehen.«
    Sour Billy umklammerte sein Messer und verzerrte das Gesicht. Er versuchte den Kopf zu heben. »Ich . . . helft mir . . . Schmerzen . . . Schlimm. Drinnen . . . Mister Julian.«
    Damon Julian stand aus seinem Sessel auf. »Das sehe ich, Billy. Was willst du?«
    Sour Billys Mundwinkel zuckte. »Hilfe . . . «, flüsterte er. »Verwandlung ... beenden ... muß sein ... ich sterbe ...«
    Julian betrachtete Billy und auch Joshua. Joshua stand noch. Abner Marsh spannte die Muskeln an und starrte auf die Flinte. Wenn Julian schon stand, dann war es fast unmöglich. Aber vielleicht . . . Er sah zu Billy hinüber, dessen Qualen Marsh beinahe den eigenen gebrochenen Arm vergessen ließen. Billy bettelte: ». . . ewig leben . . . Julian . . . verwandle mich . . . einer für dich ...«
    »Ah«, sagte Julian, »ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht für dich, Billy. Ich kann dich nicht verwandeln. Hast du wirklich geglaubt, eine Kreatur wie du könnte so werden wie wir?«
    ». . . versprochen«, wisperte Billy schrill. »Du hast es versprochen. Ich sterbe!«
    Damon Julian lächelte. »Was fange ich bloß ohne dich an?« fragte er. Er lachte, und da wußte Marsh, daß es wieder Julian war, daß das Tier ihm den Vortritt gelassen hatte. Es war Julians Lachen, volltönend, perlend und verrückt. Marsh hörte das Lachen und beobachtete Sour Billys Gesicht und sah seine Hand zittern, als er das Messer aus dem Boden riß.
    »Zur Hölle mit dir!« brüllte Marsh Julian an, als er auf die Füße kam. Julian drehte sich erschreckt zu ihm um. Marsh unterdrückte den Schmerz und raste auf das Gewehr zu. Er stürzte auf die Waffe und wurde von dem Schmerz, der ihn durchraste, beinahe bewußtlos, doch noch während er den Lauf unter seinem Bauch spürte, fühlte er, wie Julians kalte Hände sich um seinen Hals legten.
    Und dann waren sie verschwunden. Und Damon Julian schrie. Abner Marsh rollte sich herum, Julian stolperte zurück, hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Sour Billys Messer ragte aus seinem linken Auge, und Blut sickerte ihm zwischen den bleichen Fingern hervor. »Stirb!« brüllte Marsh, während er den Abzug betätigte. Der Treffer fegte Julian von den Füßen. Das Gewehr sprang in Marshs Hand zurück, er schrie. Für einen kurzen Moment war er besinnungslos. Als der Schmerz so weit nachließ, daß er wieder etwas erkennen konnte, hatte er Mühe, auf die Füße zu kommen. Aber er schaffte es. Gerade rechtzeitig, um ein scharfes Knacken
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