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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition)
Autoren: Stefanie Maucher
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passenden, magischen Worte findet, die das eigene Leid lindern. Seit ihre Tochter nicht mehr nach Hause kam, sind sie allein mit diesem Schmerz, jeder für sich. Und jeder hat seine eigene Art, damit umzugehen.
    Während sie schweigend nebeneinander sitzen, denkt Tatjana über den Brand nach. Jochen versucht einfach nur, sich auf das Fußballspiel zu konzentrieren und überhaupt nicht zu denken. Nur wenn ein Spieler seines Teams den Ball an den Gegner verliert, unterbricht er das Schweigen, um mürrisch zu verkünden, was für eine Flasche der ist. Tatjana hört gar nicht hin. Sie starrt zwar mit auf den Bildschirm, bekommt aber nur wenig vom Spielverlauf mit. Inzwischen hat sie nicht nur Angst um das Kind, sondern auch um sich selbst. Erst das laute Knallen der Tür, als Jochen ins Bad ging, riss sie vorhin aus ihren Gedanken. Erst da nahm sie den Gestank in der Wohnung richtig wahr. Sie brauchte einen Moment, um das Geräusch, welches sie aus ihrer Starre riss, seinem Verursacher zuzuordnen, den sie im Bad unterdrückt stöhnen hörte. Davor war sie – irgendwie weggetreten. Sie stand auf, ungelenk, mit eingerosteten Gliedern, tapste zur Badezimmertür. Dort legte sie die Hand auf die Türklinke, das Ohr ans Holz, unschlüssig ob sie eintreten sollte. Sie entschied sich dagegen, ging stattdessen nach unten. Ohne zuerst einen Blick in die Küche zu werfen, öffnete sie die Haustür, ging zielstrebig ums Haus herum, hob den Topf auf der in dem Beet unter dem Küchenfenster lag. Unterbewusst bekam sie sehr wohl mit, was um sie herum geschah. Ein kleiner Teil von ihr war wach geblieben, doch der große Rest ihres Geistes hatte sich zurückgezogen. An einen Ort in sich selbst, an dem alles sanft, warm und gedämpft schien und sich anfühlte wie der Halbschlaf, in dem man dahindämmert, wenn ein Fieber den Körper schüttelt. Ein Ort, der einen einschläfert, wie ein Wiegenlied, der einen gefangen nimmt und den man nur schwer wieder verlassen kann, wenn man ihn erst erreicht hat. An dem man bleiben möchte, während das Leben um einen herum zu Asche verbrennt. Sie war unfähig, nicht in der Lage, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen.
    Was sich ohne Hilfsmittel aus dem Topf herausschütteln ließ, warf sie in die Mülltonne. Den Topf selbst, in dem eine schwarze Kruste aus verbrannten Erdäpfeln klebte, nahm sie wieder mit ins Haus. Sie war gerade dabei, ihn energisch mit einer Drahtbürste sauber zu schrubben, als Jochen zu ihr in die Küche kam. Er nahm am großen Esstisch Platz, der die Hälfte der Wohnküche einnahm und sah sie stumm an. Spürbar ruhte sein Blick in ihrem Nacken. Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, scheuerte noch energischer, aber der verdammte Topf wurde nicht sauber.
    Schließlich wurde ihr die Stille zu viel, zerrte zu stark an ihren Nerven, also drehte sie sich ruckartig um und ergriff das Wort: „Den Topf werde ich wohl mit Sauerkraut auskochen müssen, um das Verbrannte zu lösen.“
    Jochen zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    „Ich wollte uns eigentlich Kartoffelbrei machen“, berichtete sie nun, etwas hilflos. Wieder bekam sie nur ein Schulterzucken als Antwort.
    Nun unternahm Tatjana einen letzten Versuch, eine Unterhaltung zum Laufen zu bringen: „Am besten bestelle ich uns eine Pizza. Was magst du drauf?“
    „Salami“, lautete seine Antwort. Und obwohl es so viel zu sagen gab, beschränkte sich ihr Gespräch auf diese wenigen Worte.

Kapitel 4
    9. März 2012
     
    Adelheid Stemmler erinnerte sich später genau daran, was sie am Nachmittag des 6. März beobachten konnte. Sie hatte ein hervorragendes Personengedächtnis und kannte das Mädchen schon länger, von dessen Verschwinden sie heute, ein paar Tage nach ihrer letzten Begegnung, in der Zeitung las. Sofort schrillten bei ihr alle Alarmglocken und ein grauenhafter Verdacht keimte in ihr auf.
    Etwa gegen 16:30 Uhr, als Adelheid Stemmler gerade dabei war, ein paar zurückgebrachte Werke wieder einzuordnen, war Laura gekommen. Auf die Bibliothekarin wirkte sie fröhlich wie immer, machte sich sofort selbst auf die Suche nach einem neuen Buch und als Adelheid fertig mit dem Einordnen war, hatte Laura anscheinend schon das Passende gefunden. Ansonsten war es ruhig an diesem Nachmittag, nur wenige Leser hatten sich in die Bücherei verirrt. Die meisten davon kannte sie persönlich, wenn auch nur flüchtig.
    Da es nicht viel zu tun gab, nahm Adelheid eine der ausliegenden Zeitschriften und machte es sich in einem Sessel in der Nähe
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