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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition)
Autoren: Stefanie Maucher
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Stimme rollte in seiner endlosen, ununterbrochenen Aufzählung von Namen über die Ebene: »Arthur Johnson – weiß. Mehtav Güçlü – schwarz. Te Rangitu Hakopa – weiß. Giustina di Lauro – schwarz. Chan Fong Hui – weiß. Ulrich Bündner – schwarz ...«
    Sie blendete die Stimme des Kolosses aus, und auch das Jammern, Stöhnen und Weinen der Menschen in ihrer Nähe. Was tat sie hier? Wie war sie hierhergelangt? Was war dieses »Hier« überhaupt?
    Wer war sie?
    Die letzte Frage ließ sie erschaudern. Sie stand auf, schlang die Arme um ihren Körper und lief den Hügel hinunter, auf die zerklüftete Ebene zu, die sie seit ihrem Erwachen vor Augen hatte. Am Horizont konnte sie Hügelketten erkennen, über denen große, geflügelte Wesen kreisten. Falls das Vögel waren, wollte sie ihnen lieber nicht begegnen, sie mussten riesig sein.
    Auf der Ebene bewegten sich Menschen und Tiere. Sie nahm jedenfalls an, dass es Tiere waren, obwohl ihre Form und ihre Bewegungen seltsam schienen. Und auch die Menschen sahen ungewöhnlich aus, als hätten sie zusätzliche Gliedmaßen oder die falsche Form.
    Was war das für ein Albtraum? Sie verlangsamte ihre Schritte, weil sie zu rutschen begann. Der feine Staub rieselte an ihren Füßen entlang zu Tal wie Wasser, und drohte, ihre Füße wegzuspülen.
    Das Jammern und Weinen der Menschen zu Füßen des Riesen verklang, je weiter sie sich entfernte. Was waren das für Leute? Es gab keine Gemeinsamkeit, die diese Individuen verband. Männer und Frauen, Alte und Halbwüchsige, Dunkelhäutige und Blasse ... und ganz offensichtlich standen sie allesamt unter Schock und waren desorientiert. Genau wie sie selbst.
    Wer war sie?
    Woran konnte sie sich erinnern?
    Keine Antwort. Ihr Gedächtnis lieferte nur eine weißgraue Nebelwand, in der sich schemenhafte Gestalten bewegten. Kein Klang einer Stimme, kein Geruch, kein Bild, das ihr Aufschluss darüber geliefert hätte, was, wer, wo sie war.
    Das hätte sie ängstigen müssen, tat es aber nicht. Sie verspürte eher so etwas wie ein vages, distanziertes Unwohlsein.
    Sie gelangte an den Fuß des Hügels und drehte sich noch einmal um. Der Riese, dessen Kopf und Schultern in den tiefhängenden Wolken verschwanden, dröhnte unaufhörlich seine monotone Aufzählung irgendwelcher Namen über die Ebene. Ob ihrer dabei war? Sie hörte ihm einen Moment lang zu, aber keiner der Namen brachte etwas in ihr zum Klingen. Sie zuckte mit den Schultern und blickte sich um.
    Dort hinten, inmitten einer großen Staubwolke, kam etwas oder jemand auf sie zu.
    Sie blieb stehen, kniff die Augen zusammen und wartete. Was für ein unwirtlicher Ort dies doch war – nur Felsen, Sand, Staub und Geröll. Kein Baum, kein Strauch, keine Behausungen, keine erkennbaren befestigten Straßen. War sie in einer Wüste gestrandet?
    Wie seltsam, dass sie sich an Dinge wie Bäume und Häuser erinnern konnte. Die Begriffe tauchten wie Seifenblasen in ihrem Bewusstsein auf, zerplatzten und gaben Bilder frei. Das war ein Baum. Ein Wald. So sah ein Haus aus, so eine Straße mit Häusern. Eine Stadt. Fahrzeuge. Ein Motorrad.
    Sie schauderte, ohne zu wissen, warum. Lieber dachte sie wieder an etwas Angenehmes. Eine Dusche. Das war ein Ding, aus dem heißes Wasser kam. Ein Glas Wasser. Kaltes Wasser, etwas, das man trank, um seinen Durst zu löschen. Hatte sie Durst?
    Sie leckte sich über die Lippen, unschlüssig. Wie fühlte sich Durst an? Sie hatte einen trockenen, rauen Hals und hätte ihn gerne mit etwas befeuchtet. War das Durst?
    Bilder, Begriffe. In immer schneller werdender Abfolge stiegen sie auf wie Kohlensäurebläschen in einem Sektglas. Sie schloss die Augen, ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend und Schwindel im Kopf, als drehte sie sich zu schnell im Kreis.
    Die Namen kehrten zurück, dann die Bilder. Dann Gefühle. Stimmen, Klänge. Sie konnte nichts davon einordnen, aber sie wusste, dass all das ganz allein ihr gehörte. Ihre Erinnerungen. Ihr Schatz, der einzige, der ihr geblieben war.
    Ohne es zu bemerken, war sie in die Knie gesunken, hatte das Gesicht in den Händen vergraben, krallte die Finger in ihre Haare. Der Katarakt der auf sie einstürmenden Erinnerungen zwang sie zu Boden.
    Sie registrierte am Rande, dass die sich nähernde Staubwolke inzwischen auf ihrer Höhe angelangt war und anhielt. Ein massiger, narbenbedeckter Hüne in militärisch anmutender Kleidung starrte sie an, bellte: »Auf die Füße, Rekrut! Mir folgen!«, und setzte sich wieder
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