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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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fertig zu werden, die dem Säuglingsalter entwachsen waren.
    Matthias bekam eine Gänsehaut. Unwillkürlich rieb er sich die Arme. Er mußte das Wagnis eingehen. Die Fey ließen ihm keine andere Wahl.
    Er nahm sich zusammen und trat, ohne Zak anzusehen, über die Schwelle.
    Im Innern des Gewölbes war es überraschend warm, als flackere irgendwo ein Feuer. Pausho war dabei, weitere Fackeln anzuzünden, die an den roten Wänden des Zimmers befestigt waren. Denn es war ein richtiges Zimmer, mit Stühlen, Tischen, Lampen und allem, was dazugehörte. In einer Ecke stand sogar ein Bett, und an der Rückwand befand sich eine weitere Tür.
    »Hierher ziehen sich die Weisen zurück, wenn sie die Worte studieren wollen«, erklärte Pausho, als wäre Matthias ein Neuling, den es zu unterweisen galt.
    Das Zimmer war so groß, daß sich mehrere Leute gleichzeitig darin aufhalten konnten, sofern sie nichts dagegen hatten, auf Sofas oder Stühlen zu schlafen. Im Fackelschein wirkte der Raum einladend, wenn auch etwas zu warm. Wände, Boden und Decke schimmerten in anheimelndem Rot.
    Aber die Worte konnte Matthias nirgends entdecken. Er sah überhaupt keine religiösen Gegenstände.
    »Warte hier«, sagte Pausho zu Zak.
    Zak ließ sich seufzend auf das Bett fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. Er starrte auf die Tür im hinteren Teil des Raumes, als könnte er durch sie hindurchsehen. Da begriff Matthias. Er und Pausho würden durch diese Tür gehen, und Zak würde in unveränderter Haltung ihre Rückkehr abwarten.
    »Komm«, sagte Pausho.
    Sie schlängelte sich an den Möbeln vorbei und ging auf die Tür zu, die Fackel noch immer in der Hand.
    Es war eine kleine Holztür, die so unbedeutend wirkte wie die Tür zu einem Wandschrank. Sie besaß kein Schloß, nur eine Klinke, die Pausho jetzt niederdrückte. Die Tür öffnete sich nach innen, und ein so gleißendes Licht fiel hindurch, daß Matthias blinzeln mußte.
    Licht.
    Matthias nahm zuerst an, daß jemand vergessen hatte, seine Fackeln auszulöschen, aber das war unwahrscheinlich. Fackeln brannten zu rasch herunter, und außerdem war es gefährlich, sie unbeaufsichtigt brennen zu lassen. Funken oder züngelnde Flammen konnten die Fackelhalter in Brand setzen. Außerdem flackerte dieses Licht nicht wie Fackelschein. Es war ganz gleichmäßig, fast wie Tageslicht, nur nicht ganz so hell, aber auch nicht so matt wie Mondlicht.
    Ein solches Licht hatte Matthias noch nie gesehen.
    Es schien vom Boden auszugehen.
    Der ganze Fußboden leuchtete weiß. Pausho steckte ihre Fackel in einen leeren Fackelhalter und betrat den Boden, ohne daß sich das Licht unter ihren Schritten veränderte.
    Sie drehte sich nach Matthias um. »Wenn du die Worte sehen willst…«, sagte sie, »… hier sind sie.«
    Ihr schien das Licht nichts anzuhaben, und er war schließlich wie sie. War er das wirklich? Matthias hatte sich nie Gedanken gemacht, ob der Schimpfname »Dämonenbrut« womöglich auf körperliche Besonderheiten anspielte, die über eine ungewöhnliche Körpergröße hinausgingen.
    Aber jetzt wollte er lieber nicht darüber nachdenken.
    Es war sowieso zu spät.
    Er folgte Pausho.
    Als er den weißen Boden berührte, zuckte er zusammen, weil er befürchtete, sich zu verbrennen. Aber der Boden fühlte sich durch seine Stiefelsohlen nicht anders an als der Fußboden des Zimmers, aus dem sie gekommen waren.
    Im Inneren des Gewölbes kam Matthias das Licht weniger blendend vor, als hätten Paushos Schritte es gedämpft. Zögernd ging er weiter, und die Tür fiel hinter ihm mit leisem Klicken ins Schloß.
    Pausho hatte sie nicht berührt.
    Matthias’ Herz hämmerte. Es war ganz still im Raum, nicht einmal Paushos Atmen war zu hören. Die Stille hatte etwas Heiliges.
    Matthias war noch nie zuvor in einem Raum gewesen, der sich heilig anfühlte.
    Das Gewölbe kam ihm weihevoller vor als alle Sakristeien im Tabernakel. Zum ersten Mal in seinem ganzen Leben glaubte Matthias, die Gegenwart Gottes zu spüren.
    Pausho beobachtete ihn aufmerksam mit ihren hellen, blauen Augen. Sie runzelte leicht die Stirn, und sie war ungewöhnlich blaß. Aber sie rührte sich nicht von der Stelle und sprach kein Wort. Matthias konnte sich in Ruhe umsehen.
    Obwohl es sich so anfühlte, war das Gewölbe nicht leer. Es war wie die anderen Räume und Gänge aus dem Fels gegraben, allerdings war auch die Decke weiß. Wieder konnte Matthias nicht erkennen, ob Menschenhand den Stein ausgehöhlt hatte oder über
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