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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch
Autoren: Nick Hornby
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Rückpaß (von Ian Ure, ganz klar), dann ein lausiges Tackling ins Leere, und schließlich ein Torhüter (Bob Wilson), der im Schlamm ausrutscht und den Ball knapp neben dem rechten Torpfosten über die Linie kullern läßt. Zum ersten Mal wurden mir plötzlich all die um uns herumsitzenden Swindonfans bewußt, mit ihren fürchterlichen West-Country-Akzenten, ihrer absurden, unschuldigen Ausgelassenheit, ihrem ungläubigen Taumel. Ich war vorher noch nie gegnerischen Fans begegnet, und ich verabscheute sie, wie ich noch nie Fremde verabscheut hatte.
      Eine Minute vor Spielende glich Arsenal aus, unerwartet und bizarr, ein Flugkopfball nach einem Abpraller vom Knie des Torwarts. Ich versuchte, die Tränen der Erleichterung zurückzuhalten, doch diese Anstrengung überstieg meine Fähigkeiten. Ich stand auf meinem Sitz und brüllte meinem Vater ins Gesicht, wieder und wieder: »Jetzt läuft’s für uns, oder nicht? Jetzt läuft’s für uns!« Er klopfte mir auf den Rücken, erfreut, daß aus dem trüben und teuren Nachmittag wenigstens noch etwas herausgesprungen war, und sagte mir, jetzt werde doch noch alles in Ordnung kommen.
    Das war sein zweiter Verrat des Tages. Swindon schoß in der Verlängerung zwei Tore: Der eine Treffer fiel durch ein Stolper tor nach einem Eckball, der andere durch Don Rogers nach einem herrlichen Sturmlauf über fünfzig Meter. All das war einfach zuviel. Als der Schlußpfiff ertönte, verriet mich mein Vater das dritte Mal in weniger als drei Stunden, indem er sich erhob und dem sensationellen Außenseiter Beifall zollte- ich rannte Richtung Ausgang.
      Als mein Vater mich einholte, war er wutentbrannt. Er trug mit großem Schwung seine Vorstellungen von sportlich fairem Benehmen vor (was kümmerte mich sportlich faires Benehmen?) und ließ mich dann zum Wagen marschieren. Wir fuhren in Schweigen gehüllt nach Hause. Fußball mochte uns ein neues Medium verschafft haben, durch das wir uns austauschen konnten, doch das hieß nicht, daß wir es auch nutzten oder daß das, was wir zu sagen beliebten, unbedingt positiv war.
      Ich erinnere mich nicht an Samstagabend, doch ich weiß, daß ich es am Sonntag, es war Muttertag, vorzog, in die Kirche zu gehen, statt daheim zu bleiben, wo die Gefahr bestand, daß ich die Höhepunkte des Spiels in der Sendung THE BIG MATCH ansehen und mich selbst in depressive Umnachtung stoßen würde. Und ich weiß, daß der Pfarrer, als wir in der Kirche ankamen, seinem Wohlgefallen Ausdruck verlieh, angesichts der konkurrierenden Versuchung eines Pokalfinales im Fernsehen eine so zahlreiche Gemeinde zu sehen, und daß Freunde und Familie mich stupsten und blöde grinsten. Das alles war jedoch nichts im Vergleich zu dem, was mich am Montagmorgen in der Schule erwartete.
    Für zwölfjährige Jungs, die ohne Unterlaß nach Möglichkeiten Ausschau hielten, ihre Altersgenossen zu demütigen, waren Gelegenheiten wie diese zu gut, um ungenutzt zu verstreichen. Als ich die Tür zu dem Fertigbau aufstieß, hörte ich jemand rufen »Da ist er!«, dann wurde ich von einer Meute schreiender, höhnisch lachender Jungs verschlungen, von denen sich einige – das stellte ich düster fest, ehe ich zu Boden geschlagen wurde – nicht mal für Fußball interessierten.
      Es mag in meinem ersten Oberschulhalbjahr nicht viel gezählt haben, daß ich ein Arsenalfan war, doch in meinem zweiten war es bedeutsamer geworden. Fußball war im wesentlichen noch immer ein vereinendes Interesse – daran hatte sich nichts geändert. Doch im Verlauf der vergangenen Monate war immer deutlicher geworden, wer welchen Lieblingsclub hatte, und wir waren viel schneller dabei, Spott zu verstreuen. Ich schätze, das war einfach leicht vorherzusehen, aber an diesem grausamen Montagmorgen trotzdem schmerzhaft. Als im ich Gymnasiumdreck lag, kam mir der Gedanke, daß ich einen grotesken Fehler gemacht hatte. Es war mein glühender Wunsch, die Uhr zurückzudrehen und darauf zu bestehen, daß mein Vater mich nicht zu Arsenal gegen Stoke, sondern in einen verlassenen Hotelspeisesaal oder den Zoo mitnahm. Ich wollte so was nicht einmal pro Saison durchmachen. Ich wollte zum Rest der Klasse gehören und fürchterlich auf irgendeinem anderen armen Kind mit gebrochenem Herzen herumtrampeln. Auf einem der Streber, der Schwächlinge, der Inder oder Juden, die gewohnheitsmäßig und grauenvoll tyrannisiert wurden. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich anders als die anderen und ganz allein, und ich
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