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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch
Autoren: Nick Hornby
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wäre, um mich in einem offenen Bus zu sehen.
      Eine Ausnahme machte ich bei den FA-Cup-Partien, die Arsenal trotz meiner Abwesenheit gewinnen sollte, doch wir schieden mit 0:1 bei West Brom aus. Ich war gezwungenermaßen ins Bett gegangen, bevor das Resultat durchgegeben wurde – die Partie fand an einem Mittwochabend statt –, und meine Mutter schrieb das Ergebnis auf ein Stück Papier und heftete es an mein Bücherregal, so daß ich morgens gleich draufschauen konnte. Mir fielen schier die Augen aus dem Kopf. Ich fühlte mich von dem, was sie geschrieben hatte, verraten. Wenn sie mich liebte, hätte sie mit Sicherheit mit einem besseren Ergebnis als einem 0:1 aufwarten können. Wohl ebenso schmerzlich wie der Ausgang der Partie war das Ausrufezeichen, das sie dahintergesetzt hatte, als ob es ein … naja, Freudenausruf wäre. Seine Verwendung erschien mir hier genauso unangebracht wie bei der Bekanntgabe des Todes eines Verwandten: »Oma friedlich im Schlaf verstorben!« Diese Enttäuschungen waren mir selbstverständlich noch vollkommen neu, aber wie alle Fans bin ich mittlerweile so weit, sie zu erwarten. (In dem Moment, in dem ich das schreibe, habe ich den Schmerz von FA-CupNiederlagen zweiundzwanzigmal gespürt, aber nie so heftig wie bei jener ersten.)
    Vom Ligapokal hatte ich noch nicht viel mitbekommen, in erster Linie, weil die Spiele am Mittwoch ausgetragen wurden und ich diesen bis dahin noch nicht hatte beiwohnen dürfen. Doch als Arsenal das Finale erreichte, war ich bereit, den Pokal als Trost für eine Saison zu akzeptieren, die mir als herzzerreißend armselig erschienen war, obwohl sie in Wirklichkeit für die sechziger Jahre ziemlich typisch war.
      Also zahlte Dad einem Schwarzhändler deutlich mehr als den fairen Preis für ein Paar Karten (ich habe nie herausgefunden, wieviel es genau war, aber er ließ mich später mit berechtigtem Ärger wissen, daß sie sehr teuer gewesen waren), und am Samstag, dem 15. März ( »HÜTET EUCH VOR DEN IDEN DES MÄRZ« war die Schlagzeile in der farbigen Sonderbeilage des EVENING STANDARD), ging ich zum ersten Mal ins Wembleystadion.
      Arsenal spielte gegen Swindon Town, ein Drittligateam, und niemand schien ernstlich zu bezweifeln, daß Arsenal das Spiel und damit seinen ersten Pokal seit sechzehn Jahren gewinnen würde. Ich war nicht so sicher. Nachdem ich auf dem ganzen Hinweg im Wagen schweigsam gewesen war, fragte ich Dad auf den Treppen hinauf ins Stadion, ob er genauso zuversichtlich wie alle anderen sei. Ich versuchte, die Frage beiläufig erscheinen zu lassen – Plauderei über Sport zwischen zwei Männern an einem freien Tag –, doch die Wahrheit sah ganz anders aus: Was ich wirklich wollte, war erneute Bestätigung von einem Erwachsenen, einem Elternteil, meinem Vater, daß das, was ich gleich miterleben sollte, mir keine Narben fürs Leben schlagen würde. »Sieh mal«, hätte ich ihm sagen sollen, »wenn sie zu Hause ein ganz normales Ligaspiel bestreiten, habe ich solche Angst, daß sie verlieren, daß ich unfähig bin, zu denken oder zu sprechen, ja manchmal selbst zu atmen. Wenn du also glaubst, daß Swindon die allergeringste Chance hat, es reicht eine Chance von eins zu einer Million, dann ist es das Beste, wenn du mich jetzt heimbringst, weil ich nicht glaube, daß ich das überstehen könnte.«
    Wenn ich damit rausgerückt wäre, hätte mein Vater mich davon abhalten müssen, ins Stadion zu gehen. Doch ich fragte ihn einfach in einer vorgetäuschten Haltung von träger Neugier, wer seiner Meinung nach das Spiel gewinnen würde, und er meinte Arsenal, drei oder vier zu null, genau wie jeder andere es tat, und so erhielt ich die erneute Bestätigung, auf die ich aus war – und erhielt trotzdem meine Narben fürs Leben. Wie das Ausrufezeichen meiner Mutter erschien mir die unbekümmerte Zuversicht meines Vaters später wie ein Verrat.
      Ich war so voller Angst, daß das Wembley-Erlebnis – eine Zuschauermenge von einhunderttausend Menschen, das riesige Spielfeld, der Lärm, das Gefühl der freudigen Erwartung – völlig an mir vorbeiging. Wenn mir an dem Ort überhaupt etwas auffiel, so war es die Tatsache, daß Wembley nicht Highbury war, und mein Gefühl der Entfremdung steigerte einfach mein Unbehagen. Ich saß bibbernd da, bis Swindon kurz vor Halbzeit traf, und dann verwandelte sich die Angst in Elend. Das Tor war eines der katastrophal dümmsten Tore, das ein Team von Profis je eingefangen hat: ein ungeschickter
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