Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz
Autoren: Helene Tursten
Vom Netzwerk:
etwas beunruhigt. Vielleicht war es keine so gute Idee, Angelica Tommy zu überlassen. Er hatte für gewöhnlich eine erfreuliche Wirkung auf Frauen, aber das hier übertraf wirklich alles. Ob er mit diesem Flittchen fertig wurde? Wenn er jetzt … Sie rief sich selbst zur Ordnung: Hör schon auf! Es geht um deinen alten Freund Tommy! Wenn jemand mit Angelica klarkommt, dann er.
    Absichtlich ließ sie sich bei der Kaffeemaschine Zeit, damit Tommy seine Fragen stellen konnte. Irene hatte keine Ahnung, was er fragen würde, aber sie hoffte, dass ihre Botschaft rübergekommen war. Er sollte sich nach Magnus’ eventuellem Alkoholismus erkundigen und nach allem, was ihm zum Thema Sophie einfiel. Sie hatte ihm die Befragung aus einem Impuls heraus überlassen und hoffte, dass ihre Rechnung aufging. Ihr waren sowohl die Kraft als auch die Ideen ausgegangen. Sophie war wie eine spiegelnde Glasscheibe: hart, kalt, glatt. Aber auch die Zerbrechlichkeit des Glases ließ sich ahnen. Es galt, vorsichtig vorzugehen, um sie nicht zu zerbrechen. Oder war sie etwa unzerbrechlich? Schwer zu sagen, aber Irene wollte jedenfalls nicht diejenige sein, die den Panzer des Mädchens durchbrach. Denn dann würden sie nie erfahren, was sich an diesem verhängnisvollen Montag im November wirklich zugetragen hatte.
    Als Irene mit den dampfenden Kaffeetassen ins Büro zurückkehrte, hörte sie Angelica sagen: »Das Problem ist, dass Magnus keine Versicherung hatte. Er war nicht in der Gewerkschaft und war auch anderweitig nicht versichert. Er besaß auch keine Hausratversicherung. Wir bekommen also keine Öre. All unser Hab und Gut ist verbrannt.«
    »Aber von der staatlichen Versicherung erhalten Sie doch sicherlich Waisenrente und …«
    »Das schon. Aber das reicht nicht. Ich will nicht den Rest meines Lebens in Biskopsgården verbringen. Ich will zurück in die Stadt!«
    Irene stellte die Kaffeetassen auf den Tisch und sagte: »Sophie wird vielleicht unruhig, wenn sie zu lange allein ist. Wir können den Kaffee mitnehmen. Ich gehe nur rasch die letzten Fragen durch, die ich Ihnen stellen wollte. Übrigens, was glauben Sie, will Sophie auch einen Kaffee? Oder trinkt sie lieber Tee?«
    »Nein. Sie trinkt nur Wasser.«
    Angelica wirkte unzufrieden. Wahrscheinlich, weil Irene zurückgekommen war und ihr trautes Beisammensein mit Tommy störte.
    »Wie kommt Sophie in der Schule zurecht?«, fragte Irene ohne weitere Umschweife.
    Angelica sah sehr überrascht aus.
    »Wie sie zurechtkommt … Sie ist nicht gerade Klassenbeste. Die Lehrer beklagen sich, dass sie nie etwas sagt und dass sie langsam ist. Aber die Klassenarbeiten schafft sie.«
    Irene fiel der desinteressierte Tonfall auf. Offenbar kümmerte es Angelica nicht sonderlich, wie ihre Tochter in der Schule zurechtkam.
    »Hat Sophie Freunde oder eine beste Freundin?«
    »Sie hat so wenig freie Zeit. Sie hat montags, donnerstags und sonntags Ballettstunden.«
    Jetzt hörte man deutlich, dass Angelica verärgert war.
    »Gibt es niemanden, den sie in ihrer wenigen Freizeit trifft?«, beharrte Irene.
    »Nein. Doch … Tessan Olsén natürlich. Sie sind in derselben Klasse und haben gemeinsam Ballettunterricht.«
    »Treffen sie sich auch, wenn sie keine Stunden haben?«
    »Nicht wirklich«, antwortete Angelica widerwillig und nach einer langen Pause. Irene betrachtete ihr niedliches Gesicht, das im Augenblick einen mürrischen, trotzigen Ausdruck hatte. Sie wollte nicht über ihre Tochter sprechen. Weshalb?
    »Wissen Sie, warum Sophie keine Freunde hat?«
    »Wie sollte ich? Sie ist so verdammt merkwürdig! Das war sie schon immer!«
    Der Ausbruch war unerwartet heftig, und selbst Angelica wirkte überrascht. Sie hielt inne und warf Tommy einen hilflosen Blick zu. Dieser verzog keine Miene, sondern sah genauso freundlich aus wie vorher.
    »Ich meine … es war immer schwer, aus ihr klug zu werden. Dass sie nichts sagt, ist nichts Neues. Sie erinnert sehr an ihren verrückten Vater. Der schweigt auch manchmal. Tagelang! Und wenn sie nicht aufpasst, wird sie auch mal so riesig und schwer werden wie er. Dann kann sie nicht mehr Tänzerin werden.«
    Der Blick, den sie Irene von der Seite zuwarf, sprach Bände. Irene war groß, schlank und durchtrainiert, kam sich aber plötzlich plump und unförmig vor. Obwohl sie wusste, dass dieses Gefühl ungerechtfertigt war, wurde sie es nicht los.
    »Wohnt Sophie immer noch bei ihm?«, fragte Tommy.
    »Ja. Und das ist auch gut so. Frej geht es seit dem Tod seines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher