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Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz
Autoren: Helene Tursten
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Ahnung!«
    Sie stand auf, um kurz vor dem Treffen mit Sophie und ihrer Mutter noch einmal auf die Toilette zu gehen. Auf dem Weg dorthin wurde ihr bewusst, dass sie etwas anderes hätte anziehen sollen. Ihre Jeans und das dunkelblaue Sweatshirt mit Kapuze wirkten kindisch. Dass das Sweatshirt mit dem Wappen des Polizeisportvereins bedruckt war, machte die Sache auch nicht besser. Sollte sie sich die Haare zusammenbinden, um älter und offizieller zu wirken? Nachdem sie sich kritisch im Spiegel über dem Waschbecken beäugt hatte, nahm sie davon jedoch Abstand und steckte ihr schulterlanges Haar einfach mit einem Klämmerchen über jedem Ohr fest. Dann versuchte sie, ihrem Spiegelbild aufmunternd zuzulächeln. Das Mädchen unterhielt sich vielleicht lieber mit einer jungen Frau als mit zwei Männern mittleren Alters, versuchte sie sich Mut zu machen. Sie hoffte inständig, dass dem so war.
     
    Sophie war blass und mager. Dieser Eindruck wurde durch ihre vollkommen schwarze Kleidung noch unterstrichen. Ihre schweren Stiefel, ihre Strumpfhosen und der Rolli, der aus dem Pullover mit dem Schulwappen hervorschaute, waren alle in verschiedenen Schwarztönen gehalten. Für ihr Alter war sie ungewöhnlich groß, in der Tat genauso groß wie ihre Mutter. Sie hatten auch dieselbe dunkle Haar- und Augenfarbe und dasselbe herzförmige Gesicht, aber damit waren die Ähnlichkeiten auch schon zu Ende. Angelica Malmborg-Eriksson war klein und grazil. Sie sprach schnell und nervös und gestikulierte dabei.
    Laut Irenes Unterlagen war Angelica einunddreißig Jahre alt, sah aber bedeutend jünger aus. Ihr hellroter Rollkragenpullover aus Angorawolle hatte Noppen, und die breiten Achselpolster verrieten, dass er schon einige Jahre alt war, aber die Farbe stand ihr ausgezeichnet. Es war ihr gelungen, einen glänzenden Lippenstift in genau derselben Farbe zu finden. Zu dem Pullover trug sie schwarze Hosen, die in schwarzen Stiefeln mit hohen Absätzen steckten.
    Ihre Tochter saß ganz still da und sah sie beide an. Ihre Reglosigkeit schien sich auf die Luft um sie herum auszubreiten. Es wirkte, als hielten die Luftmoleküle inne und vibrierten. Irene spürte ganz deutlich eine Temperaturveränderung um das Mädchen herum. Ob es kälter oder wärmer geworden war, ließ sich nicht sagen, aber um Sophie herum gab es etwas, was Irene später als »Kraftfeld« bezeichnete. Dieses Phänomen war äußerst bemerkenswert, und Irene fragte sich, ob es mit ihrer eigenen Nervosität vor dem Verhör des rätselhaften Mädchens zusammenhing.
    Irene stellte sich vor und streckte die Hand aus. Angelica erwiderte ihren Händedruck nicht. Ihre kleine, schmale Hand fühlte sich heiß und verkrampft an. Sophie machte keine Anstalten, sie zu begrüßen. Vorsichtig nahm Irene ihre rechte Hand. Zerbrechlich und kalt wie eine dünne, gekühlte Glasscheibe lag die Hand passiv in ihrer. Unwillkürlich erschauerte Irene. Gleichzeitig verunsicherten sie die Ausstrahlung und der seltsame Blick des Mädchens. Er ließ keine Furcht, keine Nervosität, keine Trauer und keine Freude erkennen. Sophies Augen waren leer, vollkommen leer.
    Wie konnte ein Kind nur jeglichen Kontakt zu ihrem eigenen Inneren abschalten? Sie wirkte nicht vollkommen abwesend, denn manchmal sah sie die Person an, die gerade sprach, aber meist schaute sie geradeaus oder blickte auf ihre Hände.
    Die Hände hielt sie still, lose auf dem Schoß gefaltet. Die Fingernägel waren so weit heruntergebissen, dass es geblutet hatte. Im Übrigen deutete nichts mit Ausnahme dieses seltsamen Kraftfeldes auf Nervosität hin. Kanalisierte Sophie vielleicht so ihre innere Anspannung? Möglicherweise, aber Irene hatte so etwas bisher weder erlebt noch davon gehört.
    Angelica Malmborg-Eriksson nahm anmutig auf der Stuhlkante Platz und ergriff das Wort, ehe sich Irene noch ihre erste Frage zurechtgelegt hatte.
    »Sophie und ich haben miteinander geredet. Folgendes hat sich dabei ergeben. Sophie wusste nicht, dass Magnus an diesem Tag zu Hause war. Er muss bereits im Obergeschoss geschlafen haben, als sie nach Hause kam, denn im ganzen Haus war es dunkel. Sie vernahm keinerlei Geräusche von oben. Als sie das Haus verließ, brannte es darin noch nicht. Es roch auch nicht nach Feuer. Es muss irgendwo einen Kurzschluss gegeben haben.«
    »Stimmt das, Sophie?«, fragte Irene und sah das Mädchen an.
    Statt Irenes Blick zu begegnen, schaute Sophie in die Videokamera. Irene sah sie im Halbprofil. Falls sie die Miene
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